Hej Danmark – Land der Shelter und des Windes
Hej Danmark – Land der Shelter und des Windes

Hej Danmark – Land der Shelter und des Windes

Unsere letzte Etappe durch Norddeutschland von Husum bis über die Grenze Dänemarks bei Aventoft ist schnell erzählt: immer am Deich entlang, soweit das Auge reicht Schafe, schon geschorene, noch zu scherende und zu jedem Schaf mindestens ein Lamm; wegen der Schafe alle 2-3 Kilometer ein Gatter, was einem flüssigen Vorankommen nicht gerade zuträglich ist, weil man jedes Mal anhalten muss, Tor öffnen, Tor schließen und wieder antreten; Windkraftanlagen in fast jeder Himmelsrichtung; und Wiiiiiind, der natürlich  aus Nordwest und somit ein weiterer Hinderungsgrund für eine annehmbare Durchschnittsgeschwindigkeit, für eine offizielle „steife Brise“ hat es laut Wetter-App zwar noch nicht gereicht, wobei wir uns einig sind, dass das nicht nur 27 km/h mit Böen bis 39 km/h waren, eher konstante 39km/h und mehr und auch die Kellnerin im Deich-Restaurant hat sich geweigert bei dem Wind Kaffee und Kuchen auf der Terrasse zu servieren.

In Niebüll haben wir dann ein letztes Mal in Deutschland eingekauft – u.a. eine Buddel Rum 😉 – und dann ging es auf zu unserem ersten Shelter in Dänemark! 

Im Unterschied zum Rest von Skandinavien gilt in Dänemark nicht das Jedermannsrecht, wo man als Wanderer, Radfahrer oder Paddler sein Zelt im Wald und auf unkultivierten Flächen für eine Nacht aufschlagen darf, solange kein Zaun drum rum ist und man einen gewissen Abstand zu Häusern hält. Dafür aber hat Dänemark über 2.000 sogenannte Shelter: offene Schutzhütten, in denen man für eine Nacht (manchmal auch zwei) übernachten darf. Oft kostenfrei oder gegen eine kleine Gebühr von 4-5 Euro pro Person (vor allem wenn der Betreiber privat ist). Bänke, Tisch und Grillstelle sind meist vorhanden, mal gibt es ein Plumpsklo oder sogar eine „richtige“ Toilette in der Nähe (z.B. weil ein Wohnmobilstellplatz in der Nähe ist), mal nicht. Duschen sind die Ausnahme. Manchmal ist an diesen Plätzen auch das Zelten erlaubt, meist jedoch nicht. 

Da die Holzhütten offen sind, wohnen darin auch Staub und Spinnweben ggf. inklusive ihrer Bewohner und auch andere Krabbel- und Fliegetiere – alles sehr zur Freude von Meike, die beim „sheltern“ mal aus ihrer Komfortzone raus darf, was ja unbedingt zu befürworten ist. Thomas ist im absoluten Abenteurer-Glück und freut sich dass das tägliche Zelt Auf- und Abbauen entfällt. Und dann hat er natürlich seine Freude daran, Meike bei der abendlichen Katzenwäsche mit kaltem Wasser zu beobachten – hier beruht die Freude auf Gegenseitigkeit 😉

A propos Katzenwäsche: 1,5 Liter Wasser für dieses Vorhaben sind komfortabel, zur Not reicht 1 Liter um Sonnencreme, Schweiß und Straßenstaub mit Hilfe eines Waschlappens und Olivenölseife oder einer anderen umweltfreundlichen Alternative zu entfernen. Eine klassische Fahrrad-Trinkflasche eignet sich dabei sehr gut zum „abduschen“. Beim Geschirrspülen gilt: gut auskratzen, im Idealfall mit Brot „auswischen“ und/oder mit ganz wenig Wasser und etwas (Klo)papier. Beim Frühstück eignet sich auch ein bisschen Tee um die Müslischale vorzuspülen. Dann kommen Spülschwamm, etwas (umweltverträgliches) Spüli und etwas Wasser zum Einsatz. Das meiste Wasser geht dann fürs Abspülen drauf. Wenn man das Wasser zum Kochen und Trinken mitrechnet brauchen wir so für Körperhygiene, Abendessen und Frühstück – zzgl. ein 3/4 Liter (Hafer)Milch – 7 bis 8 Liter Wasser, 10 wenn wir morgens nicht mit trockenen Trinkflaschen loswollen.

Neben den Sheltern bietet Dänemark Radreisenden auch sonst eine hervorragende Infrastruktur. Die Radwege sind breit, gut ausgeschildert und gut geführt. Wir sind jetzt im Wesentlichen auf dem Eurovelo 12, der Nordseeküsten-Route, unterwegs und treffen täglich andere Radreisende, die meisten dürfen aber  nicht so lange unterwegs sein, wie wir ;-).

Inzwischen haben wir die gut Hälfte unserer Stecke durch Dänemark schon hinter uns gebracht, bis nach Hirtshalts liegen noch 210-230 km vor uns. Die Landschaft ist geprägt von Ackerbau, Weiden, Heiden und kleinen Wäldchen, mal recht schön und abwechslungsreich, mal eher eintönig und langweilig, wenn man linkerhand die Nordsee hinter Dünen oder Deich nur erahnen kann und rechts Kühe weiden und Felder gedeihen. 

Interessant war gestern die Steilküste bei Bovbjerg, entstanden weil dort während der letzten Eiszeit der Eisrand lag: bis hier hin hat das Eisschild vor 20.000 Jahren die Bodenschichten vor sich her zusammengeschoben und aufgetürmt. Weiter südlich ist das Innlandeis nicht vorgedrungen. Mit 40m über dem Meer dürfte das unser höchster Buckel in Dänemark gewesen sein 😉 wobei es Dank Gegenwind auch so fordernd genug war. 

Am Tag davor führte uns der Radweg nördlich von Esbjerg durch die leicht hügelige Heidelandschaft und die lichten Kieferwälder des Naturpark Vesterhavet – und damit auch entlang bzw. durch zwei Truppenübungsplätze. Die deutlich zu hörenden Schussgeräusche holten uns aus der Landschaftsidylle in die politische Gegenwart Dänemarks und erinnerten uns an Trumps Übernahmepläne für Grönland. Wir sind während unserer Radreise ja verhältnismäßig Nachrichtenfrei unterwegs – und haben z.B. erst zwei Wochen verspätet vom Tod von Papst Franziskus erfahren. Das tut mal ganz gut, den Wahnsinn etwas auf Abstand zu halten und es ist bemerkenswert, wie schnell man sich daran gewöhnt bzw. man einfach vergisst, sich zu informieren. Da wir aber auch nicht ganz aus den Augen verlieren wollen, was in der Welt vor sich geht, gönnen wir uns schon ab und zu eine „Tagesschau in 100 Sekunden“, um das Wichtigste mitzubekommen und dann gegebenenfalls auch weitere Nachrichten zu konsumieren.

Nach drei Shelter-Nächten genießen wir heute einen Pausetag auf dem sehr gemütlichen Camping Vesterhav beim Nissum Fjord: Dusche, Waschmaschine, Küche, Aufenthaltsraum und eine herzliche, aufmerksame Betreiberin und das Ganze für umgerechnet 19 Euro pro Nacht – Dänemark ist ein echtes Camper-Paradies. Und auch die Preise im Supermarkt liegen kaum höher als in Deutschland. Ungewohnt ist das Umrechnen von Kronen in Euro (1 € = 7,46 dänische Kronen), zu sehr gewohnt ist man inzwischen ja den Euro und wir waren in den letzten Jahren quasi nur im Euro-Ausland unterwegs. Jetzt haben wir mal wieder fremde Scheine und Münzen in der Tasche und erinnern uns an das Kindheitsvergnügen im Urlaub stolz mit französischen Francs o.ä. bezahlen zu dürfen. Insgesamt ist Dänemark zwar landschaftlich vielleicht nicht sonderlich spektakulär, vor allem für Menschen, die Berge lieben, aber es ist ein überaus sympathisches Land, das uns gut gefällt: ruhig, entspannt, freundlich – es is einfach nett hier und man muss Dänemark einfach mögen. Wer also mal so richtig abschalte und entspannen will, ein paar Tage spazieren gehen und den Kopf frei pusten lassen, der fahre nach Dänemark!

Da uns der kräftige Gegenwind aus Schleswig-Holstein erhalten geblieben ist und sich heute über den Tag in einen kleinen Sturm ausgewachsen hat, und es nicht nur durch den Wind merklich kälter geworden ist (heute Mittag gefühlte 8 Grad, jetzt eher gegen 0), kommt uns die Pause recht gelegen. Heute Nacht soll sich Regen zum Sturm gesellen und die Böen bis zu 90 km/h erreichen (je nachdem welcher Wetterapp man glauben mag). Wir werden sehen, was unsere Zelt dazu sagt… Wir haben versucht es in Windrichtung aufzubauen, aber was soll man machen, wenn der Wind mal von West, mal von Nordwest und dann von Nord kommt, sich die Wetterapps nicht ganz einig sind und es dem Wind selbst sowieso egal ist, was eine App sagt… Nachdem der Wind unsere Räder umgeschmissen, die Fahne des Campingplatz vom Mast gerissen und unser Zelt immer mehr verformt hat, sind wir eben nochmal ungezogen und stehen jetzt so windgeschützt wie möglich in äußersten Eck an der Hecke. Wie es scheint bleiben uns der sehr starke Wind und Regen bis morgen Mittag erhalten. Dann wird es hoffentlich etwas ruhiger. 

Unser zweites Shelter lag direkt an einem kleine See, Brutstätte von einer großen Kolonie Lachmöwen sowie Enten, Gänsen und anderen Vögeln. In der Dämmerung wurden wir Augen- und Ohrenzeugen eines unglaublichen Spektakels: während die Lachmöwen unentwegt zeterten, stoben kleine Schwarzkopfmöwen völlig lautlos auf der Jagd nach Insekten wie Schwalben durch die Luft. Nur der Seeadler, den es dort auch geben soll, lies sich leider nicht blicken. 
Nachdem der Wind tagsüber immer weiter zunahm und für die Nacht Böen von über 90 km/h angesagt wurden, bauten wir unser Zelt so windgeschützt wie möglich auf. Am nächsten Morgen hatte zwar eine Zeltstange einen leichten Knick, ansonsten sind wir bzw. das Zelt aber unversehrt durch die Sturmnacht gekommen.

4 Kommentare

    1. reisegefaehrten

      Schon erledigt! Da es dank trübem Regenwetter auf der Fähre von Hirtshalts nach Kristiansand Nix zu sehen gab, haben wir die Zeit genutzt den Beitrag fertig zu stellen. Und auch an der Fortsetzung haben wir schon gearbeitet. Die folgt dann in den nächsten Tagen.

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