Wie kommen langsamer voran als gedacht: Höhenmeter, Regen, Schlafplatzsuche und Fährfahrten erweisen sich als Zeitfresser (vom Alter der Protagonisten mal abgesehen). Vor vier Tagen ist uns eine Fähre praktisch vor der Nase weggefahren und die nächste lies vier Stunden auf sich warten (um uns dann in 15 Minuten 6 Kilometer über den Fjord zu bringen…). Aus geplanten 70-80km für den Tag wurden so am Ende nur 50 (immerhin!). Zugegeben, wir hatten vorher den Fahrplan nicht recherchiert, hatten aber auch nicht damit gerechnet, dass die Fähren so selten fahren, weil das bislang nie der Fall war. Andererseits, wenn wir am Fjord weiter geradelt wären bis zur nächsten Fähre und wieder zurück, wären wir auch nicht schneller gewesen bzw. weiter gekommen; und den Fjord komplett auf dem Landweg zu umrunden hätte Tage gedauert. Und dann bieten Fähren zwischendurch ja anstrengungsloses Vorankommen, quasi Gratis-Kilometer, was auch nett sein kann, vor allen wenn das Wetter mal nicht mitmacht. Nachdem aber auch die nachfolgende Fährfahrt vor drei Tagen eher nervig war und die Stunde Wartezeit in einem offenen Haltestellenhäuschen bei Dauerregen und 5 Grad etwas Zeit für Recherche bot, haben wir unsere Routenplanung nochmal überdacht. Die Küste Norwegens ist einfach so zerfurcht und mit Inseln übersät, dass man auf dem Eurovelo 1 mit mindestens einer Fährfahrt täglich rechnen muss und klar ist, dass dabei zu überwindende Kilometer zwischen den Häfen, Radreise-Geschwindigkeit und Fahrplan nicht immer zusammenpassen können. Daher haben wir uns für eine Inlandsroute nach Trondheim entschieden. Bedeutet mehr Höhenmeter und wir müssen statt Fähren nun Tunnel im Auge behalten. Denn viele Tunnel sind für Radfahrer gesperrt und nicht immer gibt es eine direkte Umfahrung und dann muss man entweder einen weiten Umweg in Kauf nehmen oder einen Bus finden, der Räder mitnimmt… Aber die Strecke hat bislang keine der fiesen Tunnel offenbart, etwas weniger Kilometer und wir hoffen auf ein flüssigeres vorankommen, auch wenn wir unterm Strich vielleicht nicht schneller sind.
Zu der Entscheidung trug auch bei, dass sich die Schlafplatzsuche an der Küste eher schwierig gestaltete: links das Wasser, rechts der Berg und das wenig verfügbare Land bebaut oder als Viehweide genutzt, so dass wir öfter als gedacht doch auf Campingplätzen statt „in freier Natur“ nächtigen mussten. Und dann war der Weg entlang des Hardangerfjord Richtung Bergen und von dort Richtung Norden auch verkehrstechnisch etwas anstrengend. Auch wenn es nur 5,5 Mio. Einwohner in diesem riesigen Land gibt, drängeln die sich eben doch dicht an der Küste und vor allem im Süden. Zudem ist der Anteil an Möchtegern-Rallyfahrern unter den norwegischen Autofahrern überproportional groß und überall tummeln sich in- und ausländische Wohnmobile und das Ganze auf engen Straßen, auf denen sich entgegenkommende Fahrzeuge nur mit Hilfe von Ausweichbuchten passieren können und auch wir immer wieder anhalten müssen, damit LKW, Busse oder Traktoren sicher an uns vorbeikommen.
Bedeutet also unterm Strich, dass wir mit diesem Wissen unsere Route anders gelegt hätten, nämlich ab Odda mehr oder weniger direkt weiter nach Norden. Was wiederum auch heisst, dass wir dann wohl schon vor einigen Tagen da gewesen wären, wo wir jetzt sind… Wäre, wäre Fahrradkette… wie ein berühmter Fußballspieler einmal sagte.
Und A) hätten wir dann ungefähr 100 Wasserfälle (wahrscheinlich 1.000 wenn man alle kleinen mitzählen würde) nicht gesehen, Schafweiden, Brücken, Seen, … 😉 Nein, ehrlich, die Strecke war trotz allem landschaftlich wirklich sehr schön – es scheint schlichtweg egal, wo man in diesem Land langfährt, es lohnt sich immer;
B) hetzt uns Nix, der Weg ist das Ziel (bitte entschuldigt die Plattitüde) und wenn wir es bis Anfang August nicht bis ganz nach oben schaffen, dann hat sich trotzdem jeder Kilometer gelohnt, weil siehe unter A): es ist überall schön! (Ausnehmen möchten wir von dieser Regel vielleicht die doppelt und dreifach zurück gelegten Kilometer, sollte mal wieder eine Brücke wegen Bauarbeiten gesperrt sein und es die norwegischen Straßenbauarbeiter aber nicht für nötig befinden an der gut 7km (und 150hm) zurückliegenden einzigen Umgehungsmöglichkeit ein Schild aufzustellen… Ja, danke, die Strecke war in beide Richtungen wirklich schön und den spektakulären Wasserfall und den See dann auch noch von der anderen Seite sehen zu dürfen war wirklich ein Genuss…😂);
C) hat uns unsere „falsche“ Route unglaublich nette Begegnungen beschert, von denen wir keine missen möchten:
In Manger (50km von Bergen) sind wir, weil sich partout kein Platz gefunden hat, an dem wir unser Zelt so hätten aufschlagen können, am Pfingstwochenende auf einem sympathischen kleinen Campingplatz gelandet, mit einem tollen Platz für unser Zelt mit sagenhaftem Blick aufs Meer. Unser Nachbar fuhr morgens mit seinem Enkel raus zum Fischen und kam mit 4 großen Seelachsen – zusammen 14 Kilo – zurück, was uns unverhofft ein leckeres Mittagessen bescherte und ein grandioses Spektakel, als sich die Möwen nur 2 Meter von uns entfernt über die Reste der grob filetierten Fische hermachten.
In dem kleinen Ort Bygstad am Dalsfjorden, wo wir nach einem eher ätzenden Tag mit Dauerregen durchgefroren auf einem Mini-Campingplatz gestrandet sind, haben uns Kathi und Elmar, die einzig anderen Gäste, gleich doppelt verwöhnt: erst Tee zum aufwärmen und dann selbstgeangelte Forelle an Kartoffel – ein Gedicht! Dazu super nette und informative Gespräche mit den viel gereiste Norwegen-Fans. Nochmal: Danke ☺️!
Und als dann gestern der Sommer beschlossen hat auch in Norwegen vorbei zu schauen, war endlich auch mal Gelegenheit für einen willkommenen „Zeitfresser“ bzw. Entschleuniger: oben auf dem Gaularfjellet in Erwartung der spektakulären Serpentinen-Abfahrt extra lang Pause machen, Panorama genießen und beim Kaffee gemütlich mit einer netten Jenaerin, deren Namen wir leider (noch?) nicht kennen (bitte melde dich! 😉) über das Reisen plaudern. Bei all dem Schnack haben wir glatt vergessen das grandiose Bergpanorama mit Wasserfall zu fotografieren 😂.
Abends dann auf dem Campingplatz (den wir uns für den heutigen Pausetag ganz wunderbarst herausgesucht haben), haben wir dann Andreas kennengelernt, der auch schon seit über 7 Monaten mit dem Rad unterwegs ist und wie wir eine Runde durch Frankreich, Portugal, Spanien, Deutschland und Dänemark hinter sich hat. Bislang waren die Sichtungen andere Radreisender in Norwegen ja eher sehr spärlich und es ist toll sich mal so mit jemand Gleichgesinnten über die zu zurückliegende Route und die vielen, oft ähnlichen Erlebnisse und den geteilten Radreisealltag zu unterhalten. Wohl auch deshalb hat sich Andreas entschieden am heutigen Tag ebenfalls mal Pause zu machen. Wir haben ja den Vorteil, dass wir zu zweit unterwegs sind und somit immer jemanden haben, mit dem wir die schönen und vor allem auch die weniger schönen Momente teilen können (geteiltes Leid usw.). Allein zu reisen hat sicher auch seinen besonderen Reiz. Man ist noch freier und unabhängiger in seinen Entscheidungen, kommt vermutlich (gezwungenermaßen) häufiger/schneller mit Einheimischen oder anderen Reisenden in Kontakt, weil man eher mal angesprochen wird oder jemanden von sich aus anspricht, aber man hat halt auch niemanden, mit dem man über Regen, Gegenwind oder Höhenmeter schimpfen kann.
Da sich nun außerdem der Sommer anschickt noch etwas zu bleiben – anscheinend soll die zweite Junihälfte insgesamt deutlich trockener und wärmer sein als die erste – sind wir rundum zufrieden und genießen einen sonnigen Gammeltag am Sognefjord. Aufgewacht sind wir ausnahmsweise nicht weil der Wecker klingelt oder die Vögel Rabatz machen, sondern weil es im Zelt zu warm wurde, Meike hat sich mit Smartphone zum Bloggen in den Schatten einer Birke verzogen, um keinen Sonnenbrand zu riskieren, während Thomas die kürzlich erworbene Angel auswirft und versucht eine Makrele aus dem Wasser zu ziehen (in Meerwasser darf man in Norwegen ohne Angelschein und -karte angeln). Bislang waren seine Versuche noch nicht von Erfolg gekrönt und endeten heute sogar mit einem nicht ganz freiwilligen, sehr erfrischenden Bad im 12 Grad kalten Fjord, weil sich der Köder in den Algen verheddert hat… Trotz des todesmutigen Einsatzes ist der Köder leider verloren. Aber die gibt es hier glücklicherweise in jedem Supermarkt und so werden sich weitere Gelegenheiten ergeben, ein Abendessen aus dem Meer zu fischen. Für heute ist die Küchen-Packtasche glücklicherweise auch so sehr gut gefüllt. Und zur Feier des Pausetages gibt’s Bier 😎. Wir sind so entspannt, dass sogar der in den kommenden Tagen anstehende Aufstieg auf das gut 1.400m hohe Sognefjellet seinen Schrecken verliert. Wie viel Schnee uns da oben noch erwartet, wissen wir nicht. Wir werden berichten 😉.













































