Bienvenue à l‘atlantique? 
Bienvenue à l‘atlantique? 

Bienvenue à l‘atlantique? 

In der Nacht frischte der Wind deutlich auf und zeitweise hörte es sich an, als hätten wir unser Zelt unter einem Wasserfall aufgebaut. Die sehr erfreuliche Regenpause zum morgendlichen Zeltabbau war leider eben nur eine Pause, pünktlich zur Abfahrt durften wir uns zum ersten Mal an diesem Tag in Regenjacke, Regenhose und Überschuhe kleiden: ein weiterer Tag „Schokolade essen mit Petrus“ stand vor uns, das Spiel kennt ihr aus Kapitel 2 unseres Reiseberichts, als so wir auf dem Weg nach Norddeutschland waren, nur eben dass das an- und ausziehen aufwendiger war, weil jetzt drei Teile statt einem. Aber Poncho und Wind harmonieren nicht gut miteinander… Nach der 4. Runde hatten wir keine Lust mehr und behielten die Regenklamotten einfach an, in der Hoffnung, dass es dann nicht mehr regnen würde. Doof nur, wenn Petrus trotzig reagiert und den Hahn nochmal so richtig weit aufdreht und dann einfach extra lange offen lässt… Zur Abwechslung gab es dann anschließend überwiegend Sonne mit noch mehr Wind und Böen von bis zu 45km/h. Dabei wurde ein Vorteil von so richtig schwer beladenen Reiserädern deutlich: Sie reagieren extrem träge auf Seitenwind und so blieben wir auf der Straße bzw. konnten den Abstand zu den gewohnten eng überholenden Autos gut halten. Und im Vergleich zu einem leichten Sportrad wirkt sich Gegenwind auf die Fahrgeschwindigkeit beim schweren Reiserad auch nicht so gravierend aus, was es erträglicher macht 🤣. So war uns der heftige Gegenwind lieber als der Regen. Aber es geht natürlich auch beides gleichzeitig, wie wir noch erfahren durften. Macht dann Regen waagrecht von vorne… Wir schafften trotzdem 90km und der Atlantik war 3 Wochen nach unserem Start in Entringen nur noch 130km entfernt! Abends durften wir dann das erst mal unser Zelt mit Sturmleinen sichern und bei strömendem Regen im Zelt essen. 

Nächster Tag, gleiches Spiel, nur mit selteneren und kürzeren Regenpausen. So langsam machte uns das nasskalte Wetter mürbe: da die Campingplätze keine Trockenräume haben oder irgendwelche überdachten Bereiche, wo man sich und seine Klamotten trocken könnte, sind mehr als drei Tage Piss am Stück schwer zu ertragen. Hinter uns liegen 3 Wochen mit mehr nassen als trockenen Tagen und das im September in Frankreich! Das hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt. Wären wir jetzt in Island, würden wir ja nicht meckern und selbst da regnet es nur 14,5 Tage pro Monat im Schnitt… 

Jedenfalls entschieden wir uns in Nantes auf dem Campingplatz erstmals für eine „Cabane“: 18qm Wohnkomfort mit eigenem (sauberen Bad), Kochnische, Bett und dank 2 Heizlüftern die Möglichkeit nasse Schuhe, Socken, Handtücher, … einigermaßen trocken zu bekommen. Wir durften also trocken und warm essen und schlafen und freuten uns, als Tags drauf mal wieder die Sonne lachte. 

Gut erholt und bester Laune durchquerten wir Nantes: eine wirklich interessante Stadt, die auf uns sehr jung, dynamisch und innovativ wirkte, was vielleicht mit der großen Universität zusammenhängt. Es wird extrem viel gebaut  und die Stadt muss in den letzten Jahren viel in den Radverkehr investiert haben. Tolle, breite Radwege führen durch die Stadt und wenn sich die Radfahrenden nicht ähnlich anarchistisch benehmen würden wie in Tübingen, dann wäre es noch viel entspannter… Und nochmal fühlten wir uns an Tübingen erinnert: Auf unsere Fahrt quer durch die Stadt sind wir 10x mehr Lastenrädern und Longtails begegnet, als bislang auf unsere ganzen Route durch Frankreich. 

Dann waren es nur noch gut 50km bis zur Loiremündung und Abends erreichten wir 20km weiter südlich unseren ersten Camping am Atlantik mit Meerblick! Hier endet de Eurovelo 6, von nun an folgen wir dem Eurovelo 1 Richtung Süden und sind voller Vorfreude: Der Loire-Radweg war schön zu fahren (und ist wirklich gut ausgeschildert und erschlossen) und hat kulturell viel zu bieten, ist landschaftlich aber nicht sonderlich spektakulär und war uns auf Dauer zu langweilig. Jetzt freuten wir uns auf die vor uns liegende Atlantikküste, die uns auf den ersten Kilometern bereits ein paar tolle Aussichten geschenkt hatte. 

Uns war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass unsere Wetterresilienz (Wortschöpfung by Thomas) schon am nächsten Tag wieder auf die Probe gestellt würde: Dauerregen und kräftiger Wind aus Südwest mit Böen von bis zu 55km/h (= Gegensturm, -wind trifft es nicht mehr so ganz). Laut Wetterbericht sollte es auch so schnell nicht besser werden. Da es zudem immer schwieriger wird überhaupt offene Campingplätze zu finden (dabei reiht sich entlang der Küste einer an den nächste) und Thomas weiterhin mit den Nebenwirkungen der Antibiotika kämpft, haben wir uns erneut für die Komfortvariante entschieden und sind für einen Pausetag in einem chambre d‘hôtes gelandet. Ein bisschen verarscht (Entschuldigung) fühlten wir uns dann schon, als das Wetter am Pausetag dann deutlich besser war als angekündigt, und unsere Wirtin am darauffolgenden Tag aber lediglich mit den Worten „au moins il n’y a pas beaucoup du vent“ (wenigstens hat es nicht viel Wind) verabschieden konnte… 

Ein weiterer Tag im Vollpiss lag vor uns, der uns, wie der letzte Tag auch, durch das eigentlich schöne Marschland der Vendée führte mit Salinen, Kanälen, Sümpfen und Weideflächen. Wirklich genießen und erkunden konnten wir die Landschaft leider nicht. Der entsetzte Blick der Dame an der Rezeption des nächsten Campingplatz, die mitleidigen Blicke der Wohnmobilisten und die beherzten Bon Courage Grüße der wenigen Fußgänger, die wir auf der Straße trafen, ließen uns langsam an unserer Routenplanung zweifeln. 

Dann endlich drei Tage Verschnaufpause! Von Les Sables d‘Olonne über la Rochelle bis nach Carcans genossen wir den gut ausgebauten Eurovelo 1 entlang der Atlantikküste. Die Stecke führte uns teils nah der Küste durch die Dünen, so dass wir bei Pausen den Blick aufs Meer genießen konnten. Überwiegend ging es aber etwas zurückversetzt durch die typischen Pinienwälder und durch bereits sehr herbstlich anmutende Laubwälder. In Rochefort fuhren wir mit der historischen Schwebefähre „Pont transbordeur de Rochefort“ über die Charente und erinnerten uns an die Fuldaquerung mit der handbetriebenen Seilbahn. Mit einer modernen, klassischen Fähre überquerten wir dann den Mündungstrichter der Gironde und erreichten das gleichnamige Departement: Wo im Sommer die Promenaden und Strände vermutlich aus allen Nähten platzen herrscht, wie auch in der Vendee bereits, jetzt im Herbst Leere und Ruhe. Die Touristenhochburgen an der Küste sind verwaist, auf dem Radweg begegnen uns hin und wieder Tagestouristen und andere Radreisende (in den Regentagen zuvor waren wir praktisch allein unterwegs), im Wasser tummeln sich ein paar Surfer in Neoprenanzügen mit ihren Boards. 300km sind es jetzt noch bis zur spanischen Grenze, vier Tage, wenn es normal läuft. 

So wie es in den letzten drei Tagen war, ließe sich die Nebensaison an der sonst hochtouristischen französischen Atlantikküste ganz gut genießen, auch wenn die Tage merklich kurz sind und es die Sonne morgens nicht mehr schafft unser Zelt zu trocken, bevor wir los wollen (und der Wind, der beim trocknen helfen könnte, erst dann auffrischt, wenn wir auf den Rädern sitzen…), es Abends und Nachts ganz schön kalt wird, die Duschräume der Campingplätze nicht beheizt sind und der Weg Morgens aus dem Zelt bei 6-7 Grad etwas Überwindung kostet 😉. Damit kämen wir schon klar. 

Nur leider verspricht der Wetterbericht schon wieder nichts Gutes: 10 Tage Regenwetter. Die Wetterkarte von Frankreich zeigt fast im ganzen Land dichte schwarze Wolken, ausgenommen ist der Languedoc am Mittelmeer. Nachdem wir in den letzten Wochen feststellen mussten, dass unsere Zelt-Tarp-Kombi nur bedingt dauerregentauglich ist und die wenigen offenen Campingplätze nicht die für solche Wetterlagen notwendige Infrastruktur bieten, um nasse Klamotten zu trocknen etc., müssen wir unsere Route und Strategie überdenken. Hinzu kommen die kürzer werdenden Tage, die es uns auch nicht erlauben, einen Schauer einfach mal auszusitzen. Vielleicht war es naiv um diese Jahreszeit noch so weit im Norden Frankreich zu queren und an die Atlantikküste zu fahren, auch wenn uns alle Einheimischen bestätigen, dass das Wetter außergewöhnlich nass und kalt ist und es eigentlich besser wäre… hätten wir es geahnt, wären wir wohl eher entlang der Rhône Richtung Provence und weiter Richtung Languedoc gefahren… wäre wäre Fahrradkette… So sitzen wir also an einem weiteren Pausetag in einem kleinen Mobilhome auf dem Campingplatz in Maubuisson, ziehen unser Fazit der letzten vier Wochen durch Frankreich, schmieden Pläne und recherchieren: wo geht es hin, wechseln wir an die Mittelmeerküste, wie geht Zug und Fahrrad in Frankreich, gibt es ein besseres Zelt für uns oder ein größeres Tarp, …? Stunde später sind wir entschieden: wir fahren weiter am Atlantik bis Spanien und lassen dann Galizien aber rechts liegen und orientieren weiter im Landesinneren Richtung Süden.
Das ist inzwischen auch schon wieder zwei Tage her… Zelt ist bestellt, Route steht grob: Eurovelo 1 bis Pamplona und weiter Richtung Burgos und dann geht es von da aus entweder Richtung Valencia, also ans Mittelmeer, oder Richtung Porto. Das entscheiden wir dann. Das schlechte Wetter und die tägliche Suche nach einem offenen Campingplatz kosten Zeit und Nerven und lassen uns wenig Zeit für unseren Blog und dann macht es auch nicht so viel Spass, zu schreiben, wenn man immer nur vom schlechten Wetter erzählen kann… Aber das wird dann ja bald alles besser 😉.

In Nantes trafen wir auf den Grand Elephant der Machines de l´Ile:

2 Kommentare

  1. Burkhard M. Sambeth

    Liebe Meike, lieber Tom,
    reich an Entbehrungen, reich an Erfahrungen! Die Tour können wir ein wenig nachvollziehen – vom bequemen Auto aus. Wir bewundern Euer Durchhalten und Ausdauer. Dennoch sollte sich vor allem Tom nicht überfordern. Heidi sorgt sich schon von Anfang um die nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungen der Antibiotika. Nixdestotrotz, habt weiterhin eine gute Reise!
    Liebe Grüße von Heidi und Burkhard

    1. reisegefaehrten

      Liebe Heidi, lieber Burkhard,
      Danke für eure lieben Worte! Da dich Thomas ja nirgends so wohl fühlt wie auf dem Rad und im Zelt, ist das hier vermutlich die beste Therapie 😉 Aber wir machen in der Tat langsam und legen ja viele Pausetage ein. Es grüßen mittlerweile aus Spanien Meike und Thomas

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