Vor drei Tagen erhielten wir ein Foto von Meikes Eltern aus dem verschneiten Freiburg und auch in Tübingen war es die Tage wohl mal weiß – kaum vorstellbar, wenn man selbst gerade seine nackten Füße in den Sand bohrt und der Wind noch die letzten Tropfen Meerwasser trocknet: an unserem gestrigen Pausetag waren wir erstmals in den Wellen! Zwar hat der Atlantik nicht gerade Badewannentemperatur und im Schatten zeigt das Thermometer um die Mittagszeit „nur“ knappe 20 Grad, aber die Sonne scheint und der Wind fühlt sich erstaunlich warm an. Der bläst heute so kräftig und mit Böen von bis zu 70 km/h, dass wir uns entschieden haben, einen weiteren Tag auf dem Campingplatz von Zambujeira do Mar dranzuhängen. Die Kombination aus den meist sehr knapp bemessenen Überholmanövern der hiesigen Automobilisten und seitlichen Windböen ist uns dann doch zu unberechenbar und gefährlich.
Wobei das mit dem Verkehr in den letzten Tagen endlich etwas besser wurde, nachdem die Etappen von Penische bis Lissabon bzw. Setúbal doch noch sehr von zuviel Verkehr gekennzeichnet waren: Radwege sind zwar nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel, aber die Nebenstraßen an der Küste des Alentejo, der Costa Vicentina, sind recht ruhig und seit Porto Covo fahren wir wenn möglich auf dem „Fischerweg“, dem wunderschönen Küstenwanderweg „Rota Vicentina“ oder auf parallel laufenden Schotterwegen und -straßen. Zuvor war das kaum möglich: wir sind praktisch komplett auf der Straße unterwegs gewesen, gelegentlich auch auf parallel laufenden Radwegen, aber fahrbare Schotter- und Waldwege entlang der Küste gab es praktisch nicht. Unser erster Versuch an der Westküste der Península de Setúbal (also südwestlich von Lissabon) auf dem Weg nach Sesimbra dem Verkehr zu entkommen, endete auf abenteuerlichen aber leider zu 75% unfahrbaren Sandpisten: 4km in 1,5 Stunden 😉 Entschleunigung für Fortgeschrittene. Da die Campingplatzdichte an der Küste aber etwas höher ist, war es kein Problem, dass die Etappe spontan etwas kürzer ausgefallen ist und schon die darauffolgende Etappe durch den Naturpark Arrábida zwischen Sesimbra und Sétubal war offroadtechisch ganz nach unserem Geschmack.
Rückblickend müssen wir uns im übrigen bei den französischen Autofahrern fast entschuldigen, dafür ihnen Rücksichtslosigkeit vorgeworfen zu haben. Im Vergleich zum Portugiesen hält der Franzose großzügigst Abstand beim Überholen, der Portugiese überholt Radfahrer nicht, er fährt an ihnen vorbei, als gäbe es sie nicht. Zumindest erleben wir das bislang leider so. Bei unserer Portugal-Spanien-Radtour vor 10 Jahren war das anders, da war generell weniger los auf den Straßen und die Auto- und LKW-Fahrer viel entspannter, freundlicher und rücksichtsvoller. Diesmal hören wir nur selten ein „Achtung ich überhole euch gleich“ Warnhupen oder ein motivierendes „Voll cool wie ihr unterwegs seid“ Abschieds-Tröten. Da verstehen wir auch, weshalb portugiesische Rennradfahrer gerne zu zweit nebeneinander fahren und so die motorisierten Verkehrsteilnehmer zum Spurwechsel beim Überholen zwingen.
Und ja, wir waren zwischendurch immer mal wieder enttäuscht weil gelangweilt von der Streckenführung der Eurovelos in Frankreich und Spanien. Stundenlang am Kanal ist nur so mittel spannend… Aber: die Euroveloplaner in Frankreich und Spanien geben sich ganz offensichtlich große Mühe den Radweg zu verkehrsarm wie möglich zu gestalten und die Beschilderung ist vorbildlich. Wenn man einem Eurovelo folgen will, braucht man dort weder Karte noch Navi, man kann sich praktisch nicht verfahren. In Portugal haben wir bislang nur sporadisch Schilder für den Eurovelo 1 entdecken können und seit Lissabon gar keines mehr. Da wurden die EU Gelder vielleicht für was anderes benötigt?
Ganz ungelegen kam uns der heutige Wind als Anlass für einen weiteren Pausetag im Übrigen nicht. Der Campingplatz hier gehört zu den besseren und liegt deutlich über dem französisch-spanisch-portugiesischen Durchschnitt: sehr saubere und gepflegte Sanitäranlagen, Duschen bei denen man die Temperatur selbst regeln kann und Heißwasser sogar an den Geschirrspülbecken, Tisch mit Bänken direkt neben dem Zelt und für dieses einen guten, weichen (wenn auch wie üblich sandigen), ebenen Untergrund. Das einzig doofe an diesem Luxusplatz: wir wissen schon jetzt, was wir auf den nächsten Campingplätzen wieder vermissen werden 😉
Und dann haben wir gestern nur zwei der vier schönen Buchten vor Ort erkundet und genießen jetzt Nummer drei an diesem stürmischen Tag ganz für uns alleine (gut eine Stunde nachdem diese Zeilen entstanden vertrieb uns dann aber der Sandsturm aus unserem kleinen Paradies): rund 150m Sandstrand, das Meer zu unseren Füßen, im Rücken die 30 bis 40 Meter hohen Klippen.
Überhaupt ist die Costa Vicentina, die felsige Steilküste der Region Alentejo, einfach atemberaubend (und deswegen entschuldigen wir uns auch nicht für die vielen Bilder). Man möchte am liebsten an jeder Bucht anhalten und von oben stundenlang das Spiel der Wellen beobachten. Und so hatten wir auch schon in Porto Covo einen Pausetag eingelegt (auf einem ebenfalls sehr guten Campingplatz) und bewegen uns generell gerade eher langsam auf die Algarve zu. Die Küste hier gefällt uns sehr, sie ist noch nicht so überlaufen wie die (südliche und östliche) Algarve, die Buchten sind oft klein und nicht immer zugänglich, es gibt weniger Strände, zu denen man runter und von da ins Wasser kommt. Der Küstenabschnitt scheint für das Surfen nicht so super geeignet, dafür lockt der Fischerweg viele Wanderer an – zu recht: der Weg auf den Klippen und durch die Dünen bietet permanent ein beeindruckendes Panorama, ist gut markiert und nicht zu anspruchsvoll aber auch nicht langweilig, soweit wir das nach den paar Kilometern, die wir gewandert sind, beurteilen können.
Zwar ist der Tourismus auch hier ein wichtiger Wirtschaftszweig und in den verschiedenen Orten an der Küste kann man auch erahnen, wie viele Sonnenanbeter im Sommer einfallen (oder angesichts so mancher Ferienwohnungs-Neubaugebiete in Zukunft einfallen sollen), insgesamt geht es hier aber eher ruhig und entspannt zu. Die Ortschaften sind generell kleiner und verschlafener und es gibt keine hohen Apartmenthäuser und Hotelburgen, wie es an der Silberküste zwischen Porto und Lissabon oft der Fall war (und an der Südküste der Algarve dann sowieso wieder sein wird), denn die Costa Vincentina ist ein in weiten Teilen geschützter Naturpark (Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina), der den Tourismusauswüchsen Einhalt gebietet.
Deswegen scheint es hier auch einfacher den Portugiesen und dem portugiesischen Leben näher zu kommen, als in den anderen, größeren Küstenorten. Zambujera do Mar hat es uns nicht nur wegen des schönen Campingplatzes und der tollen Buchten angetan, auch der Ortskern ist nett und gestern Abend waren wir in einem kleinen Fischrestaurant essen, in dem sich außer uns nur noch ein paar Einheimische zu einer lustigen Runde trafen. Sehr authentisch, sehr bezahlbar, sehr sehr sehr lecker. Viel hat nicht mehr gefehlt und der portugiesische Stammkunde vom Nachbartisch (oder war es der Wirt?) hätte uns adoptiert.
Schon auf dem Weg nach Porto Covo hatte es uns ein Fischrestaurant angetan, so dass wir innerhalb von drei Tagen zweimal Fischsuppe hatten – einmal etwas spezieller, nämlich Rochen und einmal recht landestypisch die sogenannte Massada de Peixe, beide Male wirklich gut. Nachdem wir jetzt inklusive Frankreich schon ca. 4 Wochen am Atlantik unterwegs waren, war das absolut überfällig. Fisch auf dem Campingkocher ist nicht ganz einfach, es sei denn er kommt aus der Dose und wandert in die Tomatensoße… Und wir kochen ja überwiegend selbst und gehen eher selten Essen.
Nun sind es nur noch rund 20km bis Odeceixe, wo die Algarve offiziell beginnt, auch wenn es dann immer noch deutlich gemächlicher und naturnaher zugehen wird, als an der beliebten Südküste. Und bis Sagres an der Südwestspitze wären es auch nur noch rund 80km, wenn man nicht so viele Buchten ansteuert. Wir werden diesen Abschnitt bis zum Cabo de São Vicente und der Ponta de Sagres – also dem südwestlichen Ende Europas – maximal genießen und sicher nochmal einen Pausetag einlegen bevor wir uns an der Südküste Richtung Osten wenden. Dann mal sehen, wie lange es uns dort noch an der Küste hält. Wo wir an Weihnachten und Silvester sein wollen haben wir noch nicht entschieden, vielleicht in Sevilla? Und dann locken uns sehr die Wüsten Gorafe und Tabernas in Andalusien zwischen Granada und Almería.
😅 Dass das Wetter bei Euch so anders ist, habe ich bei den Fotos auch (etwas neidisch) gedacht.
Sieht alles wunderbar aus auf den Fotos! Nur das Phänomen, dass die Verkehrsteilnehmenden über die letzten Jahre stressiger geworden sind ist blöd, Wenn auch nicht wirklich überraschend leider.
Ja, vom Wetter werden wir aktuell ziemlich verwöhnt. Die Sonne wärmt tags noch wunderbar und es regnet kaum. Aber abends, nachts und morgens ist es auch hier echt frisch und Frühstück im Freien bei 7 Grad erfordert dann auch die Daunenjacke.
Inzwischen sind wir in Spanien und der Verkehr hier scheint wieder etwas entspannter. In Portugal hat uns vor allem auch erschreck, mit welcher Selbstverständlichkeit min. 50% der Verkehrsteilnehmer ihrem Smartphone mehr Aufmerksamkeit schenken als dem Geschehen auf der Straße…