FINNLAND: 470 Kilometer in 5 1/4 Tagen, solange dauerte unsere Stippvisite im finnische Lappland. Und wir müssen leider sagen: reicht uns absolut! Langweilige Wälder, eine permanente Mückenplage, schwüle Hitze und komische Leute…
Mit der monotonen Waldlandschaft haben wir ja gerechnet. Und auf den ersten 300 Kilometern Richtung Süden entlang der E75 – einer Stecke arm an Kurven aber reich an kräftezehrenden Wellen – durften wir beobachten, wie die Bäume rechts und links der Straße langsam immer größer wurden und sich immer mehr Nadelbäume unter die Birken mischten. Hin und wieder boten sich zur Abwechslung Blicke auf einen der vielen finnischen Seen, die teilweise ebenso gigantische Ausmaße haben, wie die Waldflächen um sie herum.
Für (mehr als ausreichend) Adrenalin im Blut in der eher unspektakulären Landschaft sorgte lediglich der gruselige Verkehr. Absolut rücksichtslos knallten die finnischen Autofahrer an uns vorbei, als gäbe es uns gar nicht. Egal ob Gegenverkehr oder nicht, Lenkbewegungen zum Ausweichen und eine angemessene Reduktion der Geschwindigkeit sind im finnischen Lappland ganz offensichtlich allein den Rentieren vorbehalten. Wenn diese auf ihrer Wanderschaft mal wieder in kleinen Gruppen geruhsam die Straße überqueren und dabei den Verkehr lahmlegen, wird nicht mal gehupt. Wir hingegen fragten uns jeden Morgen aufs Neue, ob wir Abends wohl heil von unseren Rädern steigen würden.
Ans Leder wollten uns außerdem die Mücken. Auf diese waren wir gedanklich ja auch vorbereitet, aber das ist eben was anderes, wie wenn man den Biestern dann 24/7 ausgeliefert ist. Solange wir auf dem Rad saßen, ging es ja noch, aber selbst die kürzeste Pinkelpause wurde sofort zum Kampf um Stich oder Tod. An gemütliche Pausen war nicht zu denken. Wobei das auf den trostlosen finnischen „Rastplätzen“ eh schwierig ist: ein „P“ an einer geteerten Parkbucht ohne Sitzgelegenheit, Mülleimer, Klo, Schatten und als „Aussicht“ Bäume rechts und links.
Nach drei Tagen hatten wir die Schnauze von der offiziellen Eurovelo-Stecke auf der E75 gestrichen voll – Schilder für den Fernradweg haben wir übrigens keines gesehen, vermutlich wissen selbst die Finnen, wie peinlich es ist, eine solche Straße als ausgewiesene Qualitäts-Radroute zu führen. Also bogen wir nach Westen ab, um so schnell wie möglich nach Schweden zu kommen. Immerhin wurde der Verkehr auf den kleinen Straßen deutlich entspannter und die Fahrt durch den weiterhin eher langweiligen Waldtunnel etwas weniger nervenaufreibend.
Anstrengend blieben die Mücken, die den abendlichen Zeltaufbau zur Nahrungsaufnahme nutzen und uns dazu zwangen, unsere Nahrungsaufnahme und die Katzenwäsche ins Zelt zu verlagern und außerhalb desselben ausschließlich in langen, stichdichten Klamotten und mit Mückennetz über dem Kopf rumzulaufen. Beides war kaum auszuhalten bei Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit, die unser Zelt in ein Dampfbad verwandelten und bei denen man den Tag eigentlich sehr gerne in T-Shirt an einem der vielen Seen oder Flüsse sitzend ausklingen lassen würde.
Schon seit unserem letzten Tag in Norwegen herrschte eine drückende Schwüle mit bis zu 28 Grad im Schatten. Ok, das ist nichts im Vergleich zu den Temperaturen, die inzwischen regelmäßig in Deutschland im Sommer erreicht werden, aber hallo: wir waren immer noch in der Arktis! Und nicht die Wärme war das Problem, sondern die hohe Luftfeuchtigkeit. Fast täglich erwischte uns ein Hitzegewitter.
Alles in allem können wir unsere Fahrt durch Finnland also als eher anspruchsvoll und motivationsdämpfend bezeichnen.
Dafür dass wir uns in Finnland nicht wohlgefühlt haben, sorgten aber nicht nur Landschaft, Verkehr, Mücken und Wärme, sondern eine generelle Ungastlichkeit. Die zeigte sich uns schon darin, dass wir an keiner touristischen Informationstafel vorbeikamen, die nicht ausschließlich in finnischer Sprache verfasst war. Und Lächeln scheint ebensowenig eine Stärke der finnischen Lappen wie der offene Empfang ausländischer Gäste. So jedenfalls unser Eindruck. Das ging mitunter soweit, dass sich Leute auf der Straße weggedreht haben, wenn wir sie gegrüßt haben.
Dass das ungewöhnliche, feucht-warme Wetter zu einer gewissen Lethargie führen kann, dafür haben wir ja volles Verständnis, und auch von daheim kennen wir es, dass Menschen komisch werden, wenn ihnen die Sonne zu lange zu heftig auf den Kopf scheint.
Nachvollziehen können wir auch, dass die Menschen bei der geringen Bevölkerungsdichte in Lappland einfach wenig Übung im smalltalk haben. Und so eine undurchdringliche, endlose Baumlandschaft kann vielleicht auch dazu führen, dass man selbst abweisend wird.
Oder vielleicht sind die Finnen aber auch deswegen so wortkarg, weil ihre eigene Sprache so kompliziert ist, dass sie einfach generell keinen Bock haben, den Mund auf zu machen.
Oder es liegt schlicht an der Sprachbarriere gepaart mit einer grundsätzlichen Schüchternheit.
In Norwegen hatten wir nämlich – Ausnahmen bestätigen wir immer die Regel – eine sehr nette ältere Finnin getroffen. Sie erkälte uns, nachdem wir sie auf ihr sehr gutes Deutsch ansprachen, Finnisch sei eine so kleine und komplizierte Sprache, dass man gezwungen sei Deutsch und/oder Englisch zu lernen, um (beruflich/gesellschaftlich) voran zu kommen. Man kann nicht erwarten, dass irgendwer außer den Finnen Finnisch spricht… Tatsächlich aber war unser Eindruck, dass in Finnland (nur im Norden?), viele (ältere) Menschen weniger sprachbewandert sind, als man vielleicht erwarten würde. Und neugierig auf Fremde zuzugehen ist schwierig, wenn man damit rechnen muss, dass dieser die eigene Sprache nicht versteht und umgekehrt.
Tatsächlich bestätigt eine andere Begegnung mit einem netten, aufgeschlossenen Finnen, diese Vermutung. Er sprach uns während einer Pause zunächst auf Englisch an, um sich zu vergewissern, dass wir keine Panne hätten. Als er dann erfuhr, dass wir aus Deutschland kommen, freute er sich seine Sprachkenntnisse auszupacken: er hat in den 90ern in Brandenburg auf dem Bau gearbeitet.
Aber auch wenn Sprache Türöffner ist und fehlende Fremdsprachenkenntnisse die Verständigung schwieriger machen: für ein freundliches Kopfnicken oder Lächeln braucht es keine Deutsch- oder Englischkenntnisse. Für uns jedenfalls ging die ablehnende Grundhaltung vieler Finnen über eine vermeintliche Sprachbarriere hinaus.
Wobei wir wohl fairerweise wohl noch dazusagen sollten, dass wir mit einigen anderen Reiseradlen gesprochen haben, die die Finnen zwar auch als recht distanziert aber nicht gerade unfreundlich erlebt haben. Vielleicht lag es also auch an uns und Thomas Bart. Jedenfalls fühlten wir uns leider fast permanent unwillkommen. Von der Landschaft, dem Wetter und den Menschen.
Am Ende unsere kleinen Plauderei fragte uns der freundliche, deutsch sprechende Finne augenzwinkernd und offensichtlich rhetorisch, ob wir denn nochmal wieder kommen würden nach Finnland. Und bevor wir überhaupt zu einer diplomatischen Antwort ansetzen konnten, lachte er einfach nur prustend los und antwortete für uns: nein, natürlich nicht!
SCHWEDEN: in Sachen Landschaft, Mücken, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit sehr vergleichbar mit dem finnischen Teil Lapplands. Vor allem am zweiten Tag mussten wir aufpassen, dass wir vor Langeweile nicht vom Rad fallen, aber der Dauerregen hielt uns wach. Und an einem Abend wurden wir zur Abwechslung statt von gewöhnlichen Mücken von zigtausenden winzigen Gnitzen heimgesucht. Aber was die Atmosphäre anbelangt ist der schwedische Teil Lapplands eine ganz andere Geschichte als der finnische!
Man kann es sich nicht vorstellen, aber der Stimmungswechsel war wirklich unmittelbar mit dem Grenzübertritt spürbar. Und nicht nur, weil wir uns so sehr auf Schweden freuten:
Vor dem ersten Supermarkt auf der schwedischen Seite plauderten wir mit zwei andern Radreisenden und wurden dabei sofort von einer Einheimischen gefragt, ob sie denn ein Foto von uns machen soll. Auf der Straße dann überwiegend rücksichtsvolle Autofahrer und den ein oder andern 👍. Die Häuser rechts und links mit Blumen geschmückt und weniger verschlossen, Menschen in den Gärten, die uns beim vorbeifahren zuwinkten. Beim Einkaufen wurde Meike von zwei Fast-Teenagern mit E-MTBs auf Schwedisch angesprochen – vermutlich auf ihr Rad – und erst als Meike auf Englisch entschuldigend ihre nicht Schwedischkenntnisse zugab, drehten die Burschen ab, weil sie sich anscheinend nicht trauten ihr Schulenglisch auszuprobieren. Den Platzwart von unserem Shelter vorgestern Abend sind wir fast nicht mehr losgeworden, so viel hatte der uns zu erzählen. Und überall begegnet man uns mit einem freundlichen Kopfnicken oder Lächeln. Auch die Landschaft, die immer noch arg baumlastig und unspektakulär ist, wirkt nicht mehr so abweisend. Sie ist offener, etwas abwechslungsreicher und lieblicher. Überall laden schöne Badestellen und Rastplätze zum pausieren und übernachten ein. In Finnland haben wir diese fast vergeblich gesucht.
Und schließlich hat sich auch die Wetterlage nach mehren Gewittern und einem Tag ergiebigem Dauerregen südlich des Polarkreises so nach und nach langsam gebessert: es ist wieder etwas kühler. Nun müssen nur noch die Mücken in Lappland bleiben, während wir uns weiter Richtung Süden bewegen.
Da Lappland insgesamt wenig zum verweilen einlud, haben wir in den vergangenen 14 Tagen 1.000 Kilometer geschafft. Das passte aber auch ganz gut in den Plan, denn ein bisschen müssen wir jetzt tatsächlich auf die Tube drücken, weil wir in fünf Wochen zu Hause sein wollen. Völlig unverhofft ist Meike nämlich vor gut drei Wochen (bei Instagram..) über eine Stellenanzeige des vsf gestolpert. Das ist der Fachverband, in dem unser FahrRadLaden am Haagtor Mitglied war und der sich für die Vernetzung von Händlern untereinander und mit den Herstellern einsetzt und sich außerdem politisch für das Fahrrad und den Radverkehr engagiert. Ein tolles Arbeits(um)feld und daher stand der vsf bei Meike schon vor der Reise auf der Arbeitgeber-Wunschliste für nach der Reise an oberster Position. Wie der Zufall oder das Schicksal manchmal so spielt… Da die Stelle in der Veranstaltungs- und Büroorganisation Meike geradezu auf den Leib geschneidert ist, war sofort klar, da muss sie sich bewerben. Es folgte ein Bewerbungsgespräch per Video-Call aus dem Zelt bei strömendem Regen. Und nun heißt es: Mitte September endet die Reise und dann startet ein neues Kapitel für uns in Marburg!
Bei deinen doch schon bissigen Äußerungen über die Finnen fühlte ich mich sehr gut unterhalten 😉 Ich kann das meiste davon aber leider nur bestätigen.
Umso schöner dass es für Euch die richtige Entscheidung war nun durch Schweden zu fahren um die letzten Wochen zu genießen.