Beschauliches Schweden! Vom Norden bis in die Mitte
Beschauliches Schweden! Vom Norden bis in die Mitte

Beschauliches Schweden! Vom Norden bis in die Mitte

Viel Wald, im Norden dominiert von Birken, weiter südlich zunehmend von Kiefern, sanfte Hügel, kleine und große Seen mit wunderschönen Rastplätzen und Badestellen (die sich hervorragend als Übernachtungsplatz eignen), erntereife Kornfelder, blühende Heiden voller Heidel-, Preisel- und Krähenbeeren, statt Rentieren wieder Kühe, dazu beeindruckend große Gänse und immer wieder stolze Kraniche, hübsche Dörfer geprägt von den typischen roten Holzhäusern und großen, gepflegten, blumenreichen Gärten (inklusive obligatorischem Mähroboter auf den sattgrünen Rasenflächen), auf jedem dritten Hof mindestens ein Oldtimer – schwedisch oder amerikanisch, manchmal deutsch: mit jedem Kilometer weiter Richtung Süden wurde Schwedens Landschaft abwechslungsreicher. Und keine Frage: schön! Aber im Vergleich zu Norwegen deutlich weniger spektakulär und atemberaubend, eher unaufgeregt, beschaulich, lieblich. Einfach nett!

Wie auch die Menschen, die immer freundlich sind, uns vielfach grüßen, fröhlich zuwinken und oft vorm Supermarkt ansprechen: wo kommt ihr her, wo fahrt ihr hin, solange seid ihr schon unterwegs? Schweden macht es einem einfach, sich wohlzufühlen.

Und selbst das Wetter war überwiegend freundlich: wenig Regen, viel Sonne, nicht zu heiß, leider auch viel Gegenwind, aber selbst der war irgendwie nicht gehässig. Und die Mücken umschwirrten uns zuletzt nur noch selten, so dass wir Abends meist gemütlich vor dem Zelt sitzen konnten und die Abendstimmung genießen: Nachdem wir uns ja mit ziemlichem Tempo Richtung Süden bewegen und es schon Mitte August ist, hat uns die Mitternachtssonne natürlich längst verlassen. Wenn man jetzt Nachts mal raus muss, funkeln – ganz ungewohnt – wieder Sterne am Himmel!

Der Verkehr auf den kleinen Nebenstraßen entlang der Ostseeküste war sehr überschaubar und die meisten Schweden überholen langsam und mit viel Abstand – außer wenn es für uns ausnahmsweise doch mal auf die viel befahrenen E4 ging. Hier gehen Autos und Geschwindigkeiten definitiv vor und wegen der Mittelleitplanke und fehlendem Seitenstreifen ist Abstand halten beim überholen schlichtweg nicht möglich (langsamer fahren hingegen wäre es schon…). Schon seit Finnland sind viel weniger Wohnmobile unterwegs als in Norwegen, und nur noch sehr wenige mit ausländischem Kennzeichnen. Auch auf den Campingplätzen ist inzwischen recht wenig los. Die Urlaubszeit neigt sich spürbar dem Ende zu. 

Obwohl wir die Küstenroute gewählt hatten, bekamen wir in den vergangenen zwei Wochen die Ostsee und ihre teils felsige Küste und die unzähligen Buchten mit den schönen Sandstränden viel seltener zu Gesichts, als gedacht. Nicht nur die Hauptstraße, auch die kleinen Straßen und Schotterwege verlaufen meist etwas im Landesinneren und nur selten direkt am Wasser. Der Küstenstreifen ist entweder bebaut – nicht mit großen Ferienanlagen wie in Spanien, sondern mit Privathäusern von kleiner Sommerhütte bis großer Villa und üblicherweise reichlich Garten drumrum – und damit privat. Oder er ist bewaldet und  nur über Stichstraßen und schmale Wanderwege wirklich zugänglich. So wie beispielsweise die Höga Kusten (Hohe Küste) zwischen Härnösand und Örnsköldsvik. Sie gilt seit 2000 als Weltnaturerbe, weil das Gebiet mit 285m die höchste isostatische Bodenhebung* der Welt seit der letzten Eiszeit zu verzeichnen hat (*= Landmassen, die während der letzten Eiszeit von Inlandeis bedeckt waren, hoben sich, nachdem der Druck des Eis wegfiel, langsam an und heben sich ggf. noch bis heute). Um die Felsküste und ihre geologischen Besonderheiten zu erkunden, war das Rad leider nicht das richtige Fortbewegungsmittel. Und bis wir verstanden hatten, dass es sich wohl durchaus gelohnt hätte einen Wandertag einzulegen, waren wir irgendwie schon vorbeigeradelt… Müssen wir wohl nochmal wieder kommen 😜. An der südlicher gelegene Jungfrukusten (Jungfrauenküste) von Sundsvall bis Gävle haben wir diesen Patzer aber an einem sehr schönen Pausetag mit einer kleinen Wanderung durch das Gråbergets naturreservat ein Stück weit wett gemacht. 

Dass wir jetzt so flott unterwegs sind war vor allem in Lappland zwar auch der Eintönigkeit der Landschaft geschuldet, liegt aber inzwischen natürlich auch daran, dass wir jetzt wegen Meikes beruflichem Wiedereinstieg einen Termin haben, an dem wir wieder zu Hause sein müssen. Das war so nicht angedacht, im Gegenteil, und insbesondere Thomas hadert mit dem plötzlichen Termindruck während sich bei Meike eher Vorfreude mit Ungeduld paart. Es ist völlig absurd: vor uns liegen noch gute 3 Wochen durch Schweden und Dänemark bis wir in Kiel oder Lübeck in den Zug nach Tübingen steigen. Länger also, als die meisten Menschen Sommerurlaub genießen. Die verbleibenden 1.200km passen inklusive ausreichender Pausetage – sei es für einen Gammeltag am See, eine Wanderung durch einen der Nationalparke, oder eine Erkundungstour durch Kopenhagen – gut in diese 22-24 Tage. Und trotzdem fühlt es sich plötzlich gehetzt und gedrängt an und es erfordert eine gewisse mentale Anstrengung, die verbleibenden Tage ruhig und gelassen zu genießen, und ein paar bewusste Entscheidungen für den ein oder anderen landschaftlich lohnenswerten kleinen Umweg. Ja, es ist absurd, oder vielleicht auch nicht, wenn man bedenkt, dass 3 Wochen eben nur etwas mehr als 5% der zurückliegenden Reisezeit sind. Also quasi nix… 

Und natürlich schweifen die Gedanken tagsüber auf dem Rad und abends vorm schlafengehen immer häufiger von der Landschaft um uns herum, zu dem was kommt: Meike beschäftigt sich mit den vor ihr liegenden Aufgaben beim vsf, liest sich ein, spinnt Ideen, hat das Thema Übergangswohnung geklärt, Bahnverbindungen recherchiert, … Thomas surft im Internet nach einem leichten Einmannzelt, das für seine 193 groß genug ist, erstellt eine innere Liste von Zielen für kurze, sportive Bikepacking-Trips, Wanderungen und andere Solo-Abenteuer, hat sich das Marburger Umland schon genauer angeschaut und freut sich darauf zu Hause die Sauna anzuschmeißen und an der Kraftstation den Oberkörper zu trainieren und Po wie Beinen eine kurze Auszeit zu gönnen.

Alles in allem ist für Meike das vorzeitige Ende der Reisezeit und -freiheit wenig problematisch, während Thomas es stärker bedauert. Nachdem sich ja bereits im vergangenen Winter herauskristallisiert hat, dass zwei oder mehr Jahre quasi nonstop durch Europa mit dem Rad nicht funktioniert, war eh noch unklar, wie die kommenden Monate aussehen könnten. Und Ziellosigkeit kann Meike nicht gut und nichts tun auch nicht… Außerdem hat die Vorstellung nach einer Winterpause wieder 6 bis 8 Monate am Stück auf dem Fahrrad und im Zelt zu leben vor allem für Meike doch etwas an Reiz verloren: dieses Leben ist auf Dauer schon auch anstrengend 😜. Vielmehr hat das zurückliegende Jahr die Lust auf Kurztrips geschürt, mit dem Rad aber auch zu Fuß oder mit dem Paddelboot. 
Das geht auch Thomas so, der sich beides vorstellen kann, Hauptsache man ist immer wieder unterwegs. Und wenn er es sich aussuchen dürfte, würde er das wohl die nächsten Jahre nicht (überwiegend) alleine, sondern mit Meike zusammen machen. Als Privatier, der mit dem Arbeitsleben abgeschlossen hat, passt das auch: gemütliche, erholsame Wochen daheim – wo auch immer das ist – Pläne schmieden und dann wieder auf ins nächste Abenteuer.
Aber für Meike war auch schon vor der Reise klar, dass sie früher oder später nochmal wieder anfangen würde zu arbeiten. Und für ein Leben bestehend aus Kurztrips mit längeren Phasen daheim, ohne Job, ist sie zu ungeduldig und ruhelos. Da wären die Gedanken sowieso viel zu schnell statt um die nächste Reise um das „danach“ gekreist. Insofern scheint es nach wie vor wie Schicksal, dass ihr der Traumjob beim vsf über den Weg gelaufen ist. Es wird sich dadurch einiges ändern, aber weiterhin gut und spannend bleiben! Und für tolle Kurztrips gibt es ja ausreichend Urlaub!

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2 Kommentare

  1. Björn

    Hei Ihr zwei

    Ja, das nahende Ende einer längeren Reise fühlt sich deutlich anders an. So wie von euch beschrieben, kommt der Kopf mit vielen unterschiedlichen Gedanken daher. Diese Gedanken scheinen nicht passend zu sein, ja sogar zu stören. Doch Sie hören du diesem Zeitabschnitt einer Reise.
    Kennen wir auch sehr gut.
    Euch noch viel Freude am Schluss eurer Reise, die häufig auch mit interessanten Plänen für die nähere und Ferne Zukunft zu tun haben. Spannend, herausfordern und so wichtig.
    LG aus Tü
    Björn

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