Durch die Finnmark bis zum Nordkap
Durch die Finnmark bis zum Nordkap

Durch die Finnmark bis zum Nordkap

Die Finnmark ist die nördlichste der norwegischen Provinzen und die am dünnsten besiedelte. So richtig einsam wurde es uns aber auch dort nicht, da zum einen die Bevölkerung zu 90% an der Küste wohnt und da zum anderen außer uns – oh Wunder 😉 – zig tausend andere Touristen auf die Idee gekommen sind, diesen Sommer zum Nordkap zu fahren. Nebenstraßen gibt es praktisch nicht, d.h. der Eurovelo führt auf der E6, so dass wir den Reiseverkehr immer voll im Blick hatten 😂. 

Zuvor ging es von den Inseln Senja und Kvaløya aber erst mal noch nach Tromsø, das uns an Trondheim erinnert hat, und von da weiter bis Alta, wo die Finnmark beginnt. 

Wie erwartet wurde dort die Vegetation immer baumärmer. Die offene Heidelandschaft ist geprägt von Flechten und Moosen, es überwiegen Zwergsträucher und kleine, buschige Birken, „richtige“, stattliche Bäume sieht man immer weniger. Da uns der Sommer seit den Lofoten aber weitgehend treu blieb, kam auch in dieser Wald-Tundra kein richtiges Arktis-Feeling auf: es war einfach zu warm. Mit Tageshöchstwerten bis 25 Grad lagen die Temperaturen teilweise 10 Grad über dem langjährigen Durchschnitt – der Klimawandel lässt grüßen 😢. Die warmen Schlafhosen und die dicken Jacken, die uns den ganzen Juni über noch täglich wärmen mussten, wanderten in den Packtaschen ganz nach unten, dafür kamen Sonnencreme, Sonnenhut, Mückennetz und Autan auf einmal täglich zum Einsatz. Mitunter war wegen der Mücken- und Bremsenschwärme an Abendessen unter freiem Himmel nicht zu denken, es blieb nur die Flucht in den Zelt-Backofen… Auch verwarfen wir schnell den Gedanken, abends länger zu radeln, um dem Verkehr zu entgehen und gegebenenfalls mehr Wildtiere zu sehen: an Ausschlafen im Zelt war nicht zu denken, denn wo kaum Bäume, da wenig Schatten und wenn die Sonne nicht unter geht, wird es ab 6 Uhr langsam ungemütlich im Zelt… 

Glücklicherweise hatte das Wetter – zumindest vorübergehend – dann nochmal ein Einsehen und unsere letzten Etappen zum Nordkap und wieder zurück bis Olderfjord waren, wie es sich für die Arktis im Sommer gehört: kalt, teilweise nass, überwiegend trüb mit sonnigen Pausen 😁. Und landschaftlich hat uns das nördlichste Stück Finnmark auch am besten gefallen mit beeindruckenden Felsformationen, immer karger werdender Tundra – die Insel Magerøya liegt nördlich der Baumgrenze – und schönen Küstenabschnitten.  

Immer in Erinnerung bleiben werden uns die letzten 100 Kilometer zum Nordkap und retour aber vor allem wegen der Tierbegegnungen: Rentiere lassen sich von Autos oder Wohnmobilen kaum aus der Ruhe bringen, grasen gemütlich rechts und links der Straße und überqueren diese betont gelassen und langsam. Seltsamerweise flüchten sie aber panisch, sobald sich Radfahrer nähern. Da ausreichend Reiseradler unterwegs sind, müssten sie den Anblick eigentlich gewohnt sein, weswegen Thomas die Theorie vertritt, dass die Rentiere alles was keinen Krach macht, sich also scheinbar anschleicht, als Gefahr betrachten. Lärmende Kraftfahrzeuge hingegen können wohl kaum gefährliche Raubtiere sein. Deutlich beeindruckender für uns waren aber mehrere Wal-Sichtungen. Einmal konnten wir über eine viertel Stunde lang eine Schule Schweinswale beobachten und dann tauchten auch noch zweimal Grindwale auf. Zumindest glauben wir das… Außerdem durften wir einen Seeadler bei der Jagd auf Entenküken beobachten – er hat keines erwischt, weil die Küken immer rechtzeitig auf Tauchstation gegangen sind.

Denkwürdig ist die Strecke zum Nordkap vor allem für Radfahrer aber auch wegen des legendären Nordkaptunnelen vom Festland auf die Insel Magerøya deren nördlichster Zipfel das Nordkap ist: 6.870m lang und 212m unter dem Meeresspiegel, 10% Gefälle bzw. Steigung. Bedeutet etwa eine Dreiviertelstunde sehr spezieller Raderfahrung… (und das Ganze 2x, denn wir sind ja auch wieder zurückgefahren). Auf dem Hinweg waren wir früh morgens dran, weil wir direkt vor dem Tunnel gezeltet haben. Da war wenig Verkehr und insgesamt war es zwar aufregend aber nicht sehr unangenehm. Auf dem Rückweg war es früher Nachmittag, die Beine schon nicht mehr taufrisch und der Verkehr etwas dichter. Die Lüftung im Tunnel lief auf Hochtouren und machte einen Höllen Lärm – klingt in etwa so, wie wenn ein Flugzeug startet… Da man dadurch außerdem die herannahenden Autos kaum noch hörte, war das im Ganzen keine so angenehme Fahrt… Aber wer Norwegen durchqueren möchte, kommt um Tunnel genauso wenig rum, wie um Fähren oder Brücken. Und wie oft hat man im Leben schon die Möglichkeit unter dem Meer durchzufahren und dann auch noch mit dem Rad?! Wobei man gar nicht merkt, dass es unters Meer geht bzw. es nicht sehen kann, denn von beiden Seiten aus versperrt ein Berg die Sicht auf das Wasser, das man unterquert. Vielleicht ist das alles auch nur ein Fake für die Touristen und das Nordkap liegt gar nicht auf einer Insel 😂?

Das Nordkap selbst war dann – wie erwartet – sehr viel Spektakel aber eigentlich wenig spektakulär. Eben ein Fels im Meer, nur zufällig eben sehr weit im Norden… um genau zu sein: 71° 10′ 21″ nördlicher Breite, 514 Kilometer nördlich des Polarkreises und rund 2100 Kilometer südlich des Nordpols. Dazu  muss man ehrlicherweise aber sagen, dass das Touri-Nordkap streng genommen gar nicht der geografisch gesehen nördlichste Landpunkt Europas ist. Es ist nur – wir zitieren Wikipedia – „der nördlichste vom Festland aus auf dem Straßenweg erreichbare Punkt Europas und mit seinem Wahrzeichen, dem Globus, ein bedeutendes touristisches Reiseziel.“ Tatsächlich nämlich ragt die Landzunge Knivskjellodden westlich neben dem Nordkap 1.400 Meter weiter nach Norden. Dieses Kap kann aber nur zu Fuß erreicht werden, der nächstgelegene Parkplatz ist 7km entfernt und die Wanderung ist durchaus anspruchsvoll, also nichts für die Massen, die täglich in ihren Reisebussen bequem ans „Nordkap“ gekarrt werden…. Und dann kann ein Punkt auf Magerøya ja eigentlich gar nicht als der  nördlichste Punkt des europäischen Festlands gelten, weil es sich schließlich um eine Insel handelt. So gesehen müsste die Landzunge Kinnarodden (71° 08′ 01″ nördlicher Breite) 67 km östlich den Titel Nordkap tragen. Und schließlich ist Magerøya bei weitem auch nicht die nördlichste europäische Insel. Hier haben das Spitzbergen-Archipel und das Franz-Josef-Land die Nase vorn. Wie immer alles eine Frage des Marketings…! 😜

Und obwohl wir das alles vorher wussten, sind wir ja auch hingeradelt und haben ein Selfie gemacht. Allerdings nicht mit dem Globus, sondern mit dem Knivskjellodden im Hintergrund. Ganz ohne Ziel und Wendepunkt wäre es eben auch komisch gewesen (Meike hatte kurz erwogen den Tunneleingang zum Wendepunkt zu erklären…) und schließlich waren wir im Winter auch an der Südwestspitze des europäischen Festlands. So schließt sich der Kreis. ☺️

Was aber auch heißt: wir sind jetzt seit über einer Woche schon wieder auf dem Heimweg. Krass! Nach vier Etappen vom Nordkap bis an die finnische Grenze sind wir jetzt seit vier Tagen in Lappland unterwegs. Wie es uns hier so gefällt erzählen wir hoffentlich bald im nächsten Beitrag (nach Möglichkeit in unter zwei Wochen…), sofern uns bis dahin die Mücken nicht komplett leer gesaugt haben und es kein finnischer Autofahrer geschafft hat uns vom Rad zu holen.

2 Kommentare

    1. reisegefaehrten

      Danke! Das Nordkap selbst ist gar nicht so spektakulär, aber de Weg dahin lohnt sich
      . Ganz Norwegen lohnt sich! Finnland hat uns, wie du hier in wenigen Stunden lesen kannst, nicht überzeugt. Schweden ist wieder besser.

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