Fortsetzung mit neuem Zelt
Fortsetzung mit neuem Zelt

Fortsetzung mit neuem Zelt

Am Ende wurden es sechs eher wenig vergnügliche Zwangspausetage in Burgos! Ungeduldigst warteten wir auf dem tristen Campingplatz bei herbstlich kaltem Wetter auf das Paket aus Deutschland mit unserem neuen Zelt. Wir waren Donnerstag Abend angereist, in der Hoffnung, das Paket würde Freitag oder Samstag kommen. Das wären dann 7 bzw. 8 Tage Laufzeit gewesen, dhl selbst spricht von 3-4! Aber dhl lies sich Zeit und es dauerte allein 3 Tage bis das Paket von Tübingen in Eutingen war und bis es sich dann nach Spanien aufmachte vergingen nochmal 2. Und so schaffte es den Weg bis Burgos leider nicht wie gedacht in einer Woche und daran waren nicht die spanischen Kollegen schuld ;-).

Wir nutzten die Zeit für zwei Besuche bei Decathlon und sind jetzt ausgestattet mit wollenen Einlegesohlen, zusätzlicher warmer Unterwäsche und Socken und wasserdichten Überhandschuhen. 

Dabei sei an dieser Stelle eingeschoben: Es ist ja nicht so, dass wir keine leicht gefütterten wasserdichten Handschuhe für den Herbst und Winter im Gepäck gehabt hätten. Aber das Problem solcher Handschuhe: sie saugen sich voll und brauchen dann ewig zum trocknen, und wenn man 3x im Regen raus und wieder reingeschlupft ist, sind sie von innen auch nass, und beim dritten Mal kommt man mit den klammen, nassen Fingern gar nicht mehr rein. Solche Handschuhe taugen für einen Schauer bzw. eine kurze Fahrt (oder für kaltes, trockenes Wetter), aber nicht für Dauerregen. Jetzt haben wir ungefütterte, weite, wasserdichte Fäustlinge, die wir je nach Temperatur ohne oder mit normalen Handschuhen kombinieren können. Noch waren sie nicht im Einsatz, aber wir sind zuversichtlich für den nächsten Pisstag jetzt besser aufgestellt zu sein. 

Zu großen touristischen Unternehmungen konnten wir uns nicht so recht aufraffen. Irgendwie leiden wir nach den intensiven letzen FahrRadLaden-Jahren immer noch unter einer gewissen Stadt-, und Menschen(massen)aversion. Nichts gegen die interessanten Gespräche mit anderen (Rad)Reisenden oder die kurzen Begegnungen mit Einheimischen, die Tipps für uns haben, wissen wollen, wo wir herkommen, wohin wir wollen, uns eine gute Reise wünschen und vielleicht auch kurz von ihren Reisen erzählen. Solche Begegnungen sind bereichernd (und ein Beitrag dazu schon in Planung), aber der Kultur und Waren konsumierende Mensch/Tourist mit entsprechender Erwartungshaltung und anspruchsvollem Gebaren, den brauchen wir gerade nicht, ebensowenig wie zu viele (laute) Menschen auf einem Haufen im Allgemeinen. Gerade für Kulturwissenschaftlerin Meike ist es eine seltsame Erkenntnis, dass ihr aktuell menschenleere Landstriche, stille Flussufer, alte knorrige Bäume, beeindruckende Sandstein- oder Felsformstionen, am Himmel kreisende Raubvögel, jagende Katzen auf den Äckern, freche Spatzen, zufrieden grasende Kühe auf weitläufigen Weiden oder Schafherden, die von ihren Hirten und deren Hunden zusammengetrieben werden, mehr Freude bereiten, als die Aussicht auf einen Museumsbesuch… Und Thomas hat es ja eh nicht so mit dem „Kulturgedöns“ und war schon immer mehr der Naturliebhaber…

Aber genug abgeschweift, zurück zu unserer Zwangspause in Burgos und der ersehnten Weiterfahrt mit neuem Zelt:

Wenig vergnüglich und ungemütlich war die Zwangspause auch, weil wir entgegen der telefonischen Reservierung keinen Bungalow mieten konnten, sondern nur unser Zelt auf die durchweichte Wiese stellen. Und der vorhandene Aufenthaltsraum war auch kalt und düster. Nachdem die Post das Paket dann erst für Dienstag ankündigte und sich unsere Weiterreise auf Mittwoch verschob, konnten wir für die letzten zwei Nächte noch in eine feste Behausung umziehen. Das war auch gut so, weil wir das alte Zelt ja grob säubern, gut trocknen und für den Weg nach Hause verpacken mussten. Und prompt überraschte uns die spanische Post mit Lieferung am Montag Nachmittag! Den schon gebuchten Bungalow bewohnten wir trotzdem bis Mittwoch und genossen das richtige Bett, die Heizung und das eigene Bad, auch wenn wir der Weiterfahrt und der ersten Nacht im neuen Zelt schon ganz schön entgegen fieberten. 

Hier geht es zu unserem Bericht über unser neues Wechsel Tunnelzelt! >>>

Und als brächte uns das neue Zelt Glück, war die Etappe von Burgos in den kleinen Ort Castrojeritz ein echtes Highlight: Sonnenschein, Mittags sogar T-Shirt-warm, schöne Landschaft, tolle Wege und zum Abschluss ein wunderschöner Campingplatz mit einem sehr herzlichen Empfang vom Besitzer, der leider kein Englisch sprach und uns (seinen einzigen Gästen) deshalb munter auf Spanisch, unsere Verständnisschwierigkeiten lachend ignorierend, viel über das Dorf und seine Sehenswürdigkeiten erzählte und uns (wir vermuten aus seinem Privatbestand) einen guten Wein aus der Region verkaufte. Als wir dann anschließend noch unseren Aufenthalt bezahlen wollten, entschuldigte er sich dass der Camping ja eigentlich geschlossen sei, weil er sich um seine über 90jährige Mutter kümmern muss, weshalb auch Bar und Shop ja geschlossen seien und es uns deshalb überlassen sei, ob bzw. was wir für die Übernachtung zahlen möchten. Und weil die Etappe kurz war und wir trotz teils anspruchsvoller Kilometer und Höhenmeter auf den Schotterwegen des Camino bereits am frühen Nachmittag angekommen waren, folgten wir der Empfehlung des Campingplatzbesitzers und machten eine Mini-Wanderung zum Castillo, mit Blick in die Vergangenheit und herrlichem Rundumblick. Und beim anschließenden Weißwein in einer Bar trafen wir unverhofft auf Randy, einen Radreise-Veteran aus den USA, den wir knapp 10 Tage zuvor auf dem Camping von Irache kennengelernt hatten, dann zwei Tage vor unserer Abreise in Burgos zufällig wiedertrafen und hier nun zum dritte Mal. Die erste Nacht im neuen Zelt schliefen wir sehr gut! 

Da wir uns dafür entschieden hatten, nicht auf dem Camino bis Santiago zu fahren und dann am Atlantik nach Porto – diese Stecke sind wir vor 10 Jahren ja schon mal in umgekehrter Richtung gefahren – sondern dem Duero (span.) bzw. Douro (port.) quer durch Portugals Bergland an die Küste zu folgen, blieben wir auf dem Eurovelo 1, als dieser in südlicher Richtung vom Camino abzweigt und dem Canal de Castilla Richtung Palencia und Valladolid folgt: eine eher eintönige Strecke streckenweise auch noch flankiert von einer Autobahn (an der dann natürlich auch der Campingplatz lag…) und insgesamt nicht sonderlich schön zu fahren zumal sich der grobe Schotterweg  in einem miserablen Zustand befand: Hände, Nacken und Hintern dankten es ebensowenig wie das gelangweilte Hirn… Wer auch immer hier für die Steckenlegung des Eurovelo verantwortlich war, hat keinen Sinn für diese Art ein Land zu erkunden und der Radtourismus scheint in der Region schlichtweg unbedeutend.

Zum Glück durften wir den Kanal nach knapp zwei Tagen bei Tordesillas wieder verlassen und es wurde landschaftlich und steckentechnisch wieder deutlich attraktiver und auch deutlich anspruchsvoller: wir folgen der Ruta del Duero bis zur spanisch-portugiesischen Grenze in Miranda do Douro (zur Erinnerung: der Fluss heißt in Spanien Duero in Portugal Douro). Obwohl der Eurovelo 1, also der offizielle Fernradweg, bis Zamora den gleichen Streckenverlauf wählt, sollte man die Routa del Duero nicht für einen gediegenen Flussradweg halten, wie wir sie z.B. aus Deutschland kennen. Die Routa del Duero ist nämlich vielmehr ein Wander- und Mountainbikeweg und damit nicht unbedingt geeignet für Radreisende… Das war uns vorher nicht so ganz klar, weil schon auch von „Radweg“ gesprochen wird. Aber die spanischen Eurovelo 1 Planer machen da wohl keinen Unterschied bzw. es scheint, man kennt hierzulande nach wie vor nur zwei Arten des Radfahrens: Rennrad = Straße und Mountainbike = offroad – mal gröber, mal weniger grob. Und anscheinend lautet die Vorgabe für den Eurovelo, Straßenverkehr möglichst zu vermeiden und damit fällt, so unsere Schlussfolgerung, in Spanien der Radreisende in die Kategorie MTB. Auf dem Camino hatten wir ja auch schon kürzere Stücke, die etwas Fahrtechnik erfordern, jetzt durften wir an zwei Tagen unser Mountainbike-Können voll auspacken und die Offroad-Gene unserer Reiseräder etwas intensiver testen (und dabei tolle Bilder machen!). Nicht umsonst basieren unsere Zweiräder ja auf dem MTB-Modell „Trail“ von Patria und haben möglichst breite Reifen.

Insbesondere die Stecke von Zamora bis Miranda do Douro war atemberaubend schön und wirklich fordernd (hier führt dann der Eurovelo auch nicht mehr lang, die Stecken sind dann wohl doch zu heftig für einen Fernradweg). Naturgenuss, Reiseradabenteuer und Fahrspass pur!!! Während sich der Duero auf seinem Weg nach Portugal immer tiefer in seine Schlucht gräbt, führt die Routa del Duero auf dem Plateau durch eine hügelige, felsige Heidelandschaft mit knorrigen spanischen Eichen, Steineichen und anderen Laubbäumen, Ginster und weiteren Sträuchern, sowie Gras. Beeindruckende Natursteinmauern gliedern die weiten Flächen in karge Weiden für Schafe und Kühe, aber es ist nur wenig Vieh zu sehen. Und kein Mensch außer uns.

Wäre da nicht das Antibiotika Problem, wir hätten mit Sicherheit unser Zelt für eine Nacht in dieser herrlichen Einsamkeit aufgeschlagen. So mussten wir uns damit begnügen, die Natur während der Fahrt und unseren Pausen zu genießen. Wir surften  über Felsplatten und durch Sand, zirkelten durch Rinnen und über Furchen und kämpften uns über loses Geröll. Am Ende folgte auf der Straße die Abfahrt in die Schlucht des Duero/Douro, über die Grenze und wieder rauf nach Miranda do Douro: wir hatten Portugal erreicht! 

Im bergigen Norden des Landes sind wir inzwischen seit vier Tagen unterwegs, haben Thomas Geburtstag mit einer sehr schönen Berg-Etappe und zwei (ungeplanten) Übernachtungen in sehr schönen Ferienwohnungen gefeiert und sitzen heute am Pausetag gut 80km von Porto entfernt auf einem schönen Campingplatz im Douro-Tal mit Blick auf den Fluss, Weinberge und Wälder. Hier unten ist es wieder deutlich wärmer als auf dem Hochplateau in Spanien und den zurückliegenden Bergen, und wir können zumindest zeitweise mal wieder ohne Daunenjacke draußen sitzen. Mehr zu diesen ersten schönen Tagen in Portugal und allen weiteren folgt dann sobald wie möglich. 

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