Mensch, Fahrrad, Ausrüstung: Unser Fazit nach 7 Wochen
Mensch, Fahrrad, Ausrüstung: Unser Fazit nach 7 Wochen

Mensch, Fahrrad, Ausrüstung: Unser Fazit nach 7 Wochen

7 Wochen und etwas über 2.400 km waren wir jetzt unterwegs. Obwohl wir vorher wussten, dass wir die Winterhandschuhe, langen Unterhosen und Daunenjacken im August in Deutschland nicht brauchen werden, hatten wir das komplette Material dabei, um mit maximaler Beladung zu fahren und um unsere eigene Leistungsfähigkeit und die unserer Räder kennenzulernen. So können wir jetzt besser einschätzen, wie wir unser Etappen quer durch Europa planen müssen und welche Berge vielleicht zu steil oder hoch sind 😉 Außerdem bot uns unser Zwischenstopp daheim jetzt die Möglichkeit, nochmal da nachzubessern, wo uns – trotz reiflicher Überlegungen im Vorfeld – unterwegs neue (bessere?) Ideen gekommen sind. 

Schon ziemlich optimal unterwegs: Mensch & Fahrrad

Die erfreuliche Nachricht: nach 7 Wochen im Sattel fragten wir uns kurz vor daheim, ob denn der Schlussanstieg im Schönbuch, den wir von unseren Trainingsrunden auf den Gravelbikes gut kennen, nicht schon mal steiler war, so gut „rollten“ unsere voll bepackten Räder da rauf 😉 Und auch die fiesesten Rampen im Odenwald erschienen uns zuletzt nicht mehr ganz so unbezwingbar wie die Anfangs im Schwarzwald. Wir sind fitter geworden!!! Und wir können mit Sicherheit sagen, dass die Rahmen und die Gabeln sowohl von der Geometrie als auch von der Fahrstabilität her absolut top sind. Mindestens so gut, wie wir uns das gedacht haben 🙂 Wir fühlen uns super wohl auf unseren Rädern und können sie hervorragend steuern, trotz des enormen Gewichts. Bei unserer Rückkehr haben wir die Räder komplett mit Gepäck (aber mit ziemlich wenig Wasser und einem eher geschrumpftem Lebensmittelvorrat) gewogen: Meikes Rad brachte es auf fast 51kg, Thomas auf etwas über 55kg. Das ist wie E-Lastenrad fahren ohne E! Da ist es sehr wichtig, dass die Räder bei schnellen Abfahrten nicht anfangen zu flattern. Außerdem ist es wichtig, dass die Vorderräder an richtig steilen Rampen den Boden nicht verlassen (tun sie nicht, wenn die Vorderradtaschen nur schwer genug sind ;-)). Mit der von uns gewählten Primärübersetzung der Rohloff haben wir eine Punktlandung hingelegt. Bei unserem jetzigen Leistungsniveau sind 20% immer noch das Ende von lustig, wenn auch weniger schmerzhaft als zu Anfang. Aber 10% lassen sich über einen längeren Zeitraum gut durchhalten. Wir sind ja über den Harz gefahren und haben mit „Torfhaus“ unsern bisher höchsten Punkt auf etwas über 700m erreicht, und das hat gut funktioniert. Mal sehen, ob wir, bis wir in den Pyrenäen sind, auch die richtig langen Pässe mit mehr als 1.000 Höhenmetern am Stück fahren können. Ein wiederholt festgestellter,  unbezahlbarer Vorteil der Rohloff ist auch, mehrere Gänge auf einmal schalten zu können, und zwar auch im Stand. Und wenn ein Rad mal kippt, muss man sich keine Sorgen machen, dass sich irgendwas verstellt, verbiegt oder abbricht… Da kann die Kettenschaltung, und möge sie noch so leicht sein, im Vergleich zur Rohloff, einfach nicht mithalten am Reiserad. 

Da geht noch was: Ausrüstung optimiert! 

Die Pausewoche hat Thomas genutzt, um die Räder einmal durchzuchecken: bis auf den Reifen am Hinterrad seines Rades ist kaum Verschleiß sichtbar, auch nicht an den Bremsbelägen. Er hat an seinem Rad den Lenker getauscht, um die Sitzposition zu verändern. Dadurch fallen auch die Lenkerhörnchen weg. Und den Sattel hat er gegen das gleiche Modell in der hochwertigeren Ausführung getauscht. Die anfänglichen Sitzprobleme bei Meike ließen sich schon unterwegs gut lösen: manchmal reicht es, die Sattelnase 2mm nach unten zu verstellen und schon sitzt es sich 100% besser! 

Da Meikes Rad und Gepäck im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht ganz schön schwer ist, sollte das Gewicht dort möglichst etwas runter und teilweise zu Thomas umgelagert werden. Aber Potenzial, an den Rädern selbst noch Gewicht zu reduzieren, besteht kaum. Um Meikes Rad also leichter zu bekommen, bleiben ihre Alarmbox und Schlosskette daheim (Thomas bekommt dafür ein zusätzliches Schloss-Verlängerungskabel mehr ins Gepäck). Das allein macht Meikes Rad knapp 1,4kg leichter (bei Thomas +400g). Das war keine einfach Entscheidung – ihr kennt das vermutlich: Schlösser sind sauschwer, aber auch sauwichtig… Da wir die Räder aber immer gemeinsam anschließen, sollten wir mit dem abgespeckten Schlossequipment gut auskommen. 

Einige Zeit haben wir während unseres Zwischenstopps auf unsere Ausrüstung verwendet. Obwohl wir mit unserer bisherigen Auswahl grundsätzlich sehr zufrieden waren, wenig vermisst haben (Thomas sein Beil, s.u.) und kaum etwas finden konnten, was sich als überflüssig erwiesen hat (Meike verzichtet auf den Mattenüberzug), kam vieles nochmal auf den Prüfstand. Die Küchenwaage war in regem Einsatz und half bei der Entscheidung, welches Longsleeve und welche Schlafhose es denn nun (vorerst endgültig) werden soll (Kunstfaser, Lyocell und Seide ersetzen teilweise die schwerer Wolle) und auch die Nähmaschine musste nochmal ran, weil sich nicht alle Packsäcke als absolut langzeittauglich erwiesen haben.

Nicht zur Disposition standen unser Zelt und das Tarp: Mit ersterem sind wir super zufrieden, es ist geräumig, robust und jedes Gramm wert, und das erweiternde Dach wollen wir bei Regenwetter nicht missen zumal Herbst und Winter ja erst noch auf uns zukommen. Aber wir haben uns tatsächlich neue Schlafmatten von Exped gegönnt, obwohl unsere alten noch ok sind. Die neuen Matten sind bei fast identischer Größe um 300g bzw. 450g leichter. Außerdem ist das Packvolumen deutlich geringer und sie lassen sich einfacher aufpumpen. Und Thomas hat seinen Schlafsack (1.900g) gegen zwei leichtere Modelle (zusammen 1.600g) ausgetauscht, vor allem, um flexibler zu sein, denn der ursprüngliche Schlafsack war ihm meist deutlich zu warm. Bei der Bekleidung sind die Radtrikots und Armlinge rausgeflogen, denn mit anderen Shirts kommen wir auf weniger Teile und Gewicht bei besserer Flexibilität. Und die Teva Sandalen wurden durch superleichte Birkenstock EVA Latschen ersetzt. Unterm Strich konnten wir so jeweils noch rund 1 Kilo rausschinden. 

Bei Küche und Co haben wir auch nochmal nachgebessert: Durch Hanna wissen wir jetzt, dass es Dank der Innovationskraft der Reinigungsmittelindustrie inzwischen Waschmittelblätter gibt (sieht aus wie Esspapier und ist fast so leicht), die viel weniger wiegen als klassisches Waschmittel. Gall-, Olivenölseife und Natron für die biologisch unbedenkliche Handwäsche in freier Natur müssen aber trotzdem mit… Dass wir den Trangia-Spirituskocher nebst Spiritusflasche daheim lassen, weil der uns zu sehr die Töpfe verrußt und es sich damit nicht nennenswert günstiger Kochen lässt, bringt auch einen kleinen Gewichtsvorteil, obwohl wir statt dessen jetzt üblicherweise zwei große Gaskartuschen einpacken. Dafür wird es an andere Stelle etwas schwerer: Zwar darf das Fahrtenmesser aus der Küchentasche, aber nur weil das kleine leichte Beil mit muss: zu oft hatten wir einen Hammer vermisst, um die Heringe in betonharte Böden zu schlagen und außerdem freuen wir uns darauf, wann immer möglich mit Holz zu kochen. Und dann wurde uns von der lieben Verwandtschaft eine kleine Actioncam aufs Auge gedrückt, damit wir unseren Blog ab sofort mit noch besseren Bildern und kleinen Videos bereichern können ;-). Die muss also mit. Bei den Trinkflaschen halten wir an den großen Kleankanteen fest, auch wenn sie mit 370g Leergewicht für 1,9l Volumen vergleichsweise schwer sind. Das Wasser daraus bleibt länger kühl und schmeckt deutlich besser, als aus einer Plastikflasche. Und die Edelstahlfaschen machen sich sehr schön an unseren Rädern :-). Ob Thomas eine kleine Kleankanteen gegen eine klassische Fahrradtrinkflasche aus Kunststoff tauscht, um letzte 120g zu schinden, entscheidet sich vermutlich erst beim Befüllen vor der Abfahrt… 

Insgesamt ist das Gewicht und Volumen in unseren Tasche also doch tatsächlich nochmal minimal geschrumpft, aber richtig viel leichter werden wir nicht. Wie gesagt, hat sich bislang kaum was als Überflüssig erwiesen und schwer sind neben dem notwendigen Werkzeug vor allem auch die Lebensmittel und Hygieneartikel, auch weil wir uns da kosten- und mülltechnisch nicht permanent mit Reisegrößen ausstaffieren wollen. Wir wollen auch nicht jeden Tag nur Linsen pur oder Reis mit Sch… essen und auch nicht jeden Abend unsere Radklamotten waschen müssen. Und daran, wie viele andere Reiseradler auf den Campingplätzen so wie wir ihre Helinox-Stühle ausgepackt haben, konnten wir sehen, dass wir nicht die Einzigen sind, die bei manchen Dingen dem Komfort gegenüber dem Gewicht den Vorzug geben. Insofern ist uns klar geworden, dass wir die angestrebten 30kg Gepäck pro Person nicht knacken werden, wenn wir einigermaßen flexibel, komfortabel und zuverlässig unterwegs sein wollen. Durch Tauschen und Weglassen habe wir beim festen Equipment (sozusagen der unveränderliche Gewichtsanteil) in Summe etwa 4kg eingespart und durch Umschichten liegt Meikes Rad jetzt all inclusive min. 6kg unter dem von Thomas. Schwankungen ergeben sich immer aus dem Vorrat an Brennstoff, Lebensmitteln, Drogerieartikeln und Wasser, weshalb das Gesamtgewicht keine wirklich feste Größe ist und wir beim Losfahren wohl kaum unter dem liegen werden, was wir vor einer Woche beim Ankommen hatten. Mal sehen, was die Waage anzeigt, wenn wir morgen vor der Abfahrt, die fertig bepackten Räder draufstellen 😉

2 Kommentare

  1. Ariane

    Wahnsinn, das ist schon eine Wissenschaft für sich da das perfekte Mittelmaß zu finden an nötigen Gegenständen und Gewicht. U d ist ja nicht so, dass ihr das erste Mal unterwegs seid (wenn auch nicht so lange, aber Erfahrung habt ihr ja trotzdem.)

    Sehr interessant zu lesen, nicht nur aus Radlerinnensicht (die ich ja nicht bin 😅), so der aus der Perspektive: was braucht es so zum Leben?!?

    1. reisegefaehrten

      Ja, das richtige Equipment zu finden ist nicht ganz einfach, und es ändert sich dann auch immer wieder: man entdeckt was Neues, das Wetter oder andere äußere Bedingungen erfordern anderes Equipment… Hilfreich ist immer, sich mit anderen auszutauschen und über den Outdoor-Tellerrand zu schauen. Die besten aller Reise-Wäscheklammern haben wir schließlich in deinem Stoffladen gefunden!

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