Südrunden-Finale und Winterpause
Südrunden-Finale und Winterpause

Südrunden-Finale und Winterpause

Seit acht Wochen sind wir jetzt wieder zu Hause. Es ist erschreckend, wie schnell uns der Alltag wieder in Beschlag genommen hat und das, obwohl wir nicht an fünf Tagen pro Woche zur Arbeit fahren, sondern uns einfach nur um das kümmern, was während unserer Reise liegen geblieben ist: Steuererklärung, Arzttermine, zwei Umbau/Sanierungsprojekte und dann natürlich auch so erfreuliche Dinge, wie Familie und Freunde zu treffen. Außerdem hat Thomas unsere Räder gründlich gewartet: Ölwechsel an der Rohloff, neue Bremsbeläge, Schaltzüge und Kettenblätter; auch die Reifen haben wir gewechselt und auf Schlauchlos umgerüstet. Meike hat sich dem geschundenen Equipment gewidmet, gewaschen, imprägniert, genäht, gebastelt und Einkaufslisten geschrieben. Unsere Ausrüstung bleibt im Prinzip zwar weitgehend die gleiche, trotzdem musste so einiges repariert oder ausgetauscht werden. Shirts, Hosen, Schuhe und auch unsere Helme waren nach 7 Monaten Dauereinsatz einfach verschlissen, Packsäcke, Beutel und auch die Zeltunterlage durchlöchert, der Kochtopf verkratzt, die Zeltheringe teilweise krum, Flickzeug und Sonnencreme aufgebraucht und so weiter. Außerdem hat sich auf unserer „Südrunde“ durch Frankreich, Spanien und Portugal dann eben doch nicht alles als die perfekte Wahl herausgestellt und für die anstehende „Nordrunde“ durch Norwegen und Schweden brauchen wir wärmere Jacken, lange Unterhosen und bessere Radschuhe. Jetzt haben wir das meiste erledigt und fiebern der Abfahrt entgegen: in einer Woche wollen wir los Richtung Nordkap! 

Da wird es Zeit endlich die letzten Etappen im Februar durch Frankreich bis nach Hause Revue passieren zu lassen. 

Am 30. Januar sind wir also in Villelongue wieder gestartet, wo wir eine Woche im Ferienhaus von Meikes Eltern verbracht haben. Bei frischen Temperaturen, gelegentlichem Regen und ordentlich Wind – ja logo: entweder fies von der Seite oder voll von vorne – ging es auf dem Eurovelo 8 die Mittelmeerküste rauf über Montpellier und Nimes nach Avignon. Ohne zu wissen, dass es bereits unser letzter Pausetag auf diesem Reiseabschnitt sein würde, ließen wir uns durch die historische Altstadt treiben und genossen das Flair dieser kleinen Metropole in der Provence. Ein klein wenig juckte es uns in den Fingern bzw. den Füßen, statt nach Norden weiterzufahren, nach Osten abzubiegen und die Provence zu erkunden. Aber der Februar ist einfach nicht der richtige Reisemonat für diese Region, die nicht nur schöne Städte sondern vor allem viel schöne Natur zu bieten hat und auch noch auf unserer Reiseziel-Wunschliste steht. Also ging es weiter auf der ViaRhôna bzw. dem Eurovelo 17, dem wir bis Lyon folgen wollten, um entweder schon dort in den Zug zu steigen, oder erst einige Kilometer weiter entlang der Saône flussaufwärts in Chalon-sur-Saône oder Dijon. Aber natürlich galt für das Rhône-Tal nichts anderes als für die Provence: es war einfach nicht die richtige Jahreszeit, um dieses wirklich schöne Tal auf dem sehr gut ausgebauten Radweg zu erkunden. 

Apropos toller Radweg durch schöne Landschaft: Egal ob die Mittelmeerroute des Eurovelo 8 und der daran anschließende Eurovelo 17 oder der Eurovelo 6 mit den Strecken entlang Doubs, Saône und Loire, die wir im September gefahren sind: die Radwege in Frankreich sind überwiegend hervorragend ausgebaut und vorbildlich beschildert. Es ist bemerkenswert was Frankreich in den letzten Jahren in die Radverkehrsinfrastruktur investiert hat und wie viel das Land Radreisenden bietet, das ist uns schon auf dem Hinweg im September aufgefallen und jetzt auch auf dem Rückweg. Dass Frankreich zwischen Atlantik, Alpen und Mittelmeer sehr schöne und abwechslungsreiche Landschaften zu bieten hat, ist hinlänglich bekannt. Mittlerweile kann man eigentlich jede einzelne Region auf einer großen Zahl schöner Radwege (nicht nur die Eurovelos) erkunden und entlang den Stecken finden sich zahlreiche günstige Camping municipal (zumindest in der Saison) sowie Chambre d’hôtes, Pensionen und Hotels, die auf Radler eingestellt sind und z.B. sichere Abstellmöglichkeiten bieten. Und da die französischen Radwegeplaner zu wissen scheinen, dass ihre autofahrenden Landsleute beim Überholen lieber keinen Sicherheitsabstand halten, damit der Radfahrer nicht den Eindruck bekommt, es würde an seinem Fahrkönnen gezweifelt, führen die Radwege meist abseits der Straßen und von diesen getrennt durch die Landschaft oder über Wirtschaftswege, auf denen wenig Verkehr herrscht. Frankreich scheint uns ein echtes Radfahr-Paradis, das wir noch oft besuchen möchten!

Streckentechnisch war auf unserem Weg entlang der französischen Mittelmeerküste und durch das Rhône-Tal also soweit alles ziemlich perfekt und auch landschaftlich war die Strecke überwiegend schön, vor allem bis Montpellier und dann wieder ab Avignon. Nur die Jahreszeit und das Wetter passten eben nicht so ganz…

Nachdem wir morgens mit Eis auf dem Zelt aufgewacht sind und die bei bis zu 50km/h Gegenwind realistischen Tagesziele nicht so recht zu den wenigen offenen Campingplätzen passen wollten, mussten wir unsere Planung schon ab der dritten Etappe von Béziers nach Montpellier anpassen und nächtigten fortan frostgeschützt in kleinen Hotels und Chambre d‘hôtes. Auch tagsüber wurde uns selten warm auf den Rädern – zwar zeigte das Thermometer bis zu 10 Grad, der starke Wind machte daraus aber eine gefühlte Temperatur um die Null – und so waren wir froh um unsere Windjacken, die gefütterten Westen und die warmen Handschuhe. Als sich dann die nächste Schlechtwetterfront mit mehreren Tagen Dauerregen ankündigte, beschlossen wir nur noch bis Valence zu fahren und schon da den Zug zu besteigen.

Fahrradmitnahme im Zug ist in Frankreich übrigens ähnlich abenteuerlich wie in Deutschland. Warum werden Websites und Apps eigentlich nicht einem intensiven Praxistest unterzogen, bevor sie auf die Kundschaft losgelassen werden? Am Ende hat es fast so lange gedauert, unsere Tickets von Valence nach Mulhouse zu buchen, wie die Zugfahrt selbst. Der Regionalzug war so überfüllt, wie man es bei uns gewohnt ist, und die Radabstellplätze reichten nur gerade so. Im TGV mussten die beiden Fahrradabstellplätze erst mal vom Gepäck anderer Reisender befreit werden und kaum jemand schien zu wissen, dass es überhaupt Menschen geben kann, die ihr Rad im Zug mitnehmen möchten. Und da es von Mulhouse nach Freiburg anscheinend nur über Basel geht, haben wir den Grenzübertritt auf dem Rad bewältigt. 

Aber zurück zu unserer vorgezogenen Heimfahrt: Selber schuld könnte man sagen, schließlich hätten wir die Rückfahrt ja einen Monat später und damit mutmaßlich bei schon etwas frühlingshafteren Temperaturen – und ohne Zugtransfer – angehen können und wären dann wie ursprünglich mal geplant erst Ende März daheim angekommen. Vollkommen richtig: wir haben uns im Grunde vier Wochen zu früh aus Südspanien verabschiedet. Aber was hätten wir einen weiteren Monat in Andalusien gewollt? Die von Wohnmobilen überfüllte Küste mit den nicht auf Zelter eingestellten Campingplätzen und den wenigen wirklich schönen Radstrecken hat uns nicht so begeistern können, dass wir da nur wegen der angenehmen Temperaturen noch länger hätten bleiben wollen. Und im schöneren Landesinnere war es einfach auch zu kalt. Daher machte es nur Sinn, früher den Heimweg anzutreten.

Und eigentlich hatten wir ja im September in Frankreich schon bewiesen, dass wir uns von Regen und Kälte nicht unsere Reiselust und die gute Laune vermiesen lassen. Insofern waren wir uns der eher mauen Wetterbedingungen durchaus bewusst, als wir in Südfrankreich aufbrachen, hatten aber trotzdem vor, bis fast nach Hause zu radeln. Nur ist es eben etwas anderes, ob man voll motiviert losfährt in dem Wissen, dass man eine Schlechtwetterphase nur durchstehen muss, um von herrlichen Landschaften und sonnigen Tagen belohnt zu werden. Auf dem Rückweg war das anders: das Wintergrau verhinderte, dass wir die Mittelmeerküste von Okzitanien, die Provence und das Rhône-Tal gebührend genossen, immer wieder dachten wir uns: hier müssen wir mal im späten Frühling oder Frühherbst herkommen, wenn die Landschaft bunt und einladend ist. Irgendwie schien unserer Reise der Landschaft nicht gerecht zu werden und diese nicht unserer Reise. Und so erschien es uns wie verschwendete Zeit, es gab irgendwie keinen Grund mehr für die Quälerei und mit jedem Kilometer Richtung Norden beschlich uns mehr und mehr die Ungeduld. Wir hatten es plötzlich eilig heim zu kommen, obwohl kein Grund zur Eile bestand und wir ja viel früher dran waren als geplant. Hatte uns also plötzlich das Heimweh erwischt oder schlicht die Reisemüdigkeit? Wir würden sagen nein, denn wir waren schon da voller Vorfreude auf die jetzt anstehende Reise zum Nordkap. Aber so einen kleinen Winterblues hatte wir uns schon eingefangen. Die Aussicht auf gemütliche Abende mit Familie und Freunden, vor dem Ofen oder in der Sauna zog uns geradezu magnetisch an, ebenso wie die Aussicht darauf auszuschlafen und mehrere Tage am Stück keine Taschen packen zu müssen, zu wissen wo im Supermarkt die Haferflocken, die Nudeln und die Milch stehen und einfach drin zu bleiben wenn es draußen zu ungemütlich ist. Ganz klar, es war die Vorfreude auf das Vertraute, die auf dem Heimweg neben dem Wintergrau als kleiner Beschleuniger wirkte. „Ihr habt gestrahlt, als ihr losgefahren seid und ihr habt gestrahlt, als ihr zurückgekommen seid“ begrüßte uns unsere Nachbarin Katrin Mitte Februar in Ammerbuch und freute sich mit uns, dass auch zu Hause ein schönes Reiseziel sein kann.

Und jetzt nach 8 Wochen Komfort mit eigenem Bad, Herd, Spül- und Waschmaschine wollen wir endlich wieder los. Draußen fängt alles an zu blühen, die Tage werden wieder länger und vor uns liegt ein Sommer in der Wildnis Skandinaviens: keine geschotterten Zeltplätze mit 8-Meter-Wohnmobilen als Nachbarn zu allen Seiten, sondern nur wir irgendwo an einem Fjord oder an einem See und eine Milliarde Mücken. 

2 Kommentare

  1. Joachim

    Erst heute, nachdem wir eben noch vor dem Haus miteinander gesprochen haben und wenige Tage bevor wir alle uns wieder auf die Räder schwingen, Ihr nach Norwegen und ich nach Italien, lese ich Euren Bericht und erkenne vieles daran wieder. Die Strecken, die Ihr ab Montpellier beschreibt, sind mir aus den letzten Jahren alle gut bekannt. Der Wind wehte bei mir allerdings mit 50 km überwiegend im Rücken (mistral). Die Provence, die Täler von Rhone, Saone, Doubs, Canal du Rhone au Rhin haben auch mich begeistert, und die Schwierigkeiten, im TGV mein Rad unter drei drübergelegten, andern Rädern hervorzuziehen und nach außen zu befördern, passen zu Euren Erfahrungen. Also Hals- und Bein- bzw. Gabel und Felgenbruch bis zum frohen Wiedersehen im Oktober. Gute Fahrt!
    Joachim

    1. reisegefaehrten

      Lieber Joachim, danke für die guten Wünsche! In Norwegen werden wir ja eher Fähre fahren und da gab es bislang nie Probleme mit den Rädern, egal in welchem Land. Dir eine wunderbare und pannenfreie Reise in Italien, wir sind gespannt, was du im Herbst zu berichten hast.

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