Und immer wieder das Wetter… Sommeranfang in Norwegen
Und immer wieder das Wetter… Sommeranfang in Norwegen

Und immer wieder das Wetter… Sommeranfang in Norwegen

Es ist schon unglaublich wie oft sich unsere Blogbeiträge mit dem Thema Wetter beschäftigen. Aber wenn man den ganzen Tag draußen ist, ist das Wetter eben allgegenwärtig und wesentlicher Mitspieler… Und irgendwie ist das Wetter nicht nett zu uns. Inzwischen wurde uns von Norwegern auch mehrfach bestätigt, dass dieses Frühjahr bzw. der Frühsommer besonders nass, kalt und trübe sei. Wir erinnern uns deutlich, ähnliche Worte letzten September in Frankreich gehört zu haben… Sind wir verflucht oder ist das der Preis für unser unverschämtes Glück unterwegs sein zu dürfen?

Seit drei Tagen regnet es jetzt fast ununterbrochen, was neu für uns ist, bislang gab es in Norwegen für uns zwar nur sehr wenige Tage ganz ohne Regen, aber auch an den sehr nassen Tagen zeigte sich die Sonne immer mal wieder für ein paar Minuten und es gab zwischendurch auch mal ein paar Stündchen in denen man die Regenklamotten nicht zwingend brauchte. Wir haben uns deshalb heute früh spontan entschieden an den gestrigen, geplanten Pausetag einen weiteren, ungeplanten dranzuhängen und die Annehmlichkeiten des Campingplatzes zu genießen: ein kleiner Aufenthaltsraum mit Küchenzeile.

Leider lässt die Wettervorhersage für die nächsten 7-10 Tage nichts Gutes hoffen, so dass wir die Abfahrt im Regen im Grunde nur rauszögern.
Andererseits: was hätten wir davon, heute weiterzuradeln, außer nasse Schuhe und dem Nordkap 60km näher zu kommen?
Denn das ist das eigentlich Gemeine an dem Piss da draußen: man sieht quasi Nix von der herrlichen Landschaft durch die man fährt, die Fernsicht von den Bergen ist hinter tiefhängenden Wolken verborgen, die schönen Fjordküsten verschwinden hinterm Regenvorhang. Gemütliche Pausen in einer schönen Bucht oder an einem kleinen See, leider Fehlanzeige. Auch der erhoffte Zauber der langen Tage zündet irgendwie nicht: die Sonne steht zwar über 20 Stunden am Himmel, aber das Licht gleicht den ganzen Tag einem trüben Vormittag in Deutschland Anfang November, Temperatur inklusive.

Wir hatten uns ja auf echt schlechtes Wetter eingestellt und haben die zurückliegenden vier Wochen auch mit wenig Murren gemeistert, die kurzen sonnigen Phasen intensiv genossen, waren zufrieden, wenn die Wolken am Himmel einfach nur so da waren, und haben darauf vertraut, dass sich das missgünstige Verhältnis zwischen Regen- und Sonnenstunden langsam umkehren wird, je weiter der Sommer fortschreitet…
Als wir Vorgestern im Regen – was sonst – frierend auf eine Fähre warteten, meinte ein freundlicher Norweger, dass dieses Wetter leider in Mittelnorwegen durchaus üblich sei, auch wenn in diesem Jahr der Sommer besonders lange auf sich warten ließe. Aber, so versicherte er uns, gäbe es immer acht Wochen Sommer und wenn also der Juni so verregnet sei, dann würden dafür Juli und August umso schöner. Mal schauen, ob das nur als Zuspruch gedacht war, damit wir Motivation und Moral nicht doch noch verlieren 🤪.

Ein anderes Problem hat sich durch die Dauernässe der letzten Wochen auch noch offenbart: durch den vielen Regen sind die (eigentlich zum Zelten ideal geeigneten, herrlich weichen) moosigen Böden in den lichten Birkenwäldern vollgesogen wie Badeschwämme, was die abendliche Schlafplatzsuche schon öfters verkompliziert hat (und wir häufiger als gedacht einen Campingplatz ansteuern). Unser Tunnelzelt bietet in der großen Apsis bei Pisswetter zwar tollen Schutz, die Wassersäule von Zeltboden und Groundsheet ist aber eher bescheiden. Qualitätsurteil leider nur 4-5. Hinzu kommt – weshalb wir ja ursprünglich kein Tunnelzelt wollten – dass unsere Behausung nicht freistehend ist, sondern immer mit Heringen abgespannt werden muss. Damit entfallen auch glatte, trockene Felsplatten mit dünner Moosschicht als Zeltplatz.
Es ist total absurd: da haben wir unser Kuppelzelt, das einen super dicken und dichten Boden hat, wegen Dauerregen in Frankreich letztes Jahr gegen ein Tunnelzelt getauscht und wünschen uns jetzt – trotz oder sogar wegen Regen – unser (oder ein anderes) Kuppelzelt zurück… Lieber kalte Küche im Zelt und trocken schlafen als trocken im Vorzelt kochen und die Schlafmatte auf dem feuchten Zeltboden ausbreiten.
Vermutlich wird auf einer langen Reise ein Zelt nie das Ideale für jede Situation sein, aber während wir mit dem Rest unserer Ausrüstung – Räder, Klamotten, Matten, Schlafsäcke, Kochequipment, etc. – alles in allem doch recht zufrieden sind (teilweise auch erst nach einigen Anpassungen), haben wir unser persönliches Lieblingszelt noch nicht gefunden. Ach so, und falls jemand eine Regenjacke kennt, die dauerhaft gut funktioniert, möge er/sie sich melden 😂.

Nun aber endlich ein paar Sätze zu unserer Route:

Wir sind wie kürzlich umgeplant vom Sognefjord aus durchs Landesinnere nach Trondheim gefahren. Das bedeutete zunächst mal rauf auf das 1.428m hohe, tief verschneite Sognefjellet. Auf dem Weg dorthin, noch am Fjord, kamen uns gut 50 Rennrad-Tandems entgegen (und nochmal ebenso viele normale Rennräder und Gravelbikes): wir waren mitten in eine Ausfahrt der Santana Adventure Cycling Cruise Norway geraten. Der US-amerikanische Fahrradhersteller ist u.a. bekannt für seine Premium Tandems und veranstaltet für seine betuchte Kundschaft Kreuzfahrten und andere Reisen inklusive sehr bunter Radausflüge. Später am Tag wurden wir auf dieser sehr anstrengenden Etappe (1.850 Höhenmeter auf 70 Kilometern) von Andrea und ihrem Sohn in ihrem Campervan mit Kaffee und Zimtschnecken versorgt und nach einer kalten Nacht auf 1.000m haben wir die beiden doch tatsächlich am nächsten Vormittag zu einem weiteren Kaffee getroffen. Das war herrlich!

Auf dem Weg über das Dovrefjell haben wir im Nationalpark einen kurzen Abstecher zu einer Moschusochsen-Beobachtungsstation eingelegt. Insgesamt rund 300 Tiere leben im Nationalpark – die einzige größere Population in Europa, in den 1930ern und 40ern aus Grönland eingeführt, nachdem die imposanten Tiere in Europa während der letzten Eiszeit ausgestorben waren. Auch wenn die Tiere weit entfernt waren und nur mit dem Fernglas wirklich zu beobachten, so war das doch sehr beeindruckend. Wir haben gut 15 Tiere erspäht, mächtige Bullen und mehrere Muttertiere mit Kälbern. Unglaublich schöne, beeindruckende, große Tiere, die sich dadurch auszeichnen, dass sie – als vermeintlich dumme, wehrlose Grasfresser – vor (Fress)Feinden nicht einfach fliehen, sondern sich und ihr Revier verteidigen und recht mutig und angriffslustig sind, weshalb man ihnen keinesfalls näher als 200m kommen sollte. Wir hätten trotzdem nichts dagegen gehabt so ein süßes Kälbchen zu kuscheln oder wenigstens aus nur 250m Entfernung zu beobachten… 😌.

Dann wurde es auf dem letzten Stück nach Trondheim nochmal richtig abenteuerlich, weil Komoot uns eine Route durch ein wenig erschlossenes Waldgebiet vorgeschlagen hat, inklusive drei Bach- bzw. Flussdurchquerungen. Die erste konnten wir noch fahren, dann wurde es so tief und die Strömung so stark, dass abpacken und (mehrfaches) waten angesagt war… Passenderweise am 21.6. – also dem offiziellen Sommeranfang – tatsächlich aber bei gerade mal 11 Grad Außentemperatur (gefühlt nur 6) und einer Wassertemperatur von vielleicht 5 Grad? sehr erfrischend! Seither wissen wir, dass wir unsere Barfußschuhe nicht nur als reine Luxusartikel für die ein oder andere Wanderung oder eine Stadtbummel dabei haben, die waren Gold wert auf den glitschigen Steinen.

Da waren wir nicht böse, abends in Trondheim für zwei Tage eine Ferienwohnung zu beziehen. Die 23 Grad Zimmertemperatur (die wir nicht so richtig runterregeln konnten) kamen uns dann aber vermutlich in etwa so vor wie die 35 Grad, die uns aus Stuttgart gemeldet wurden… Die Stadt selbst hat uns sehr gut gefallen, vor allem das historische Industrieviertel am Ostufer des Flusses Niedelva mit seinen historischen Lagerhäusern und den alten Fabrikgebäuden aus Ziegelstein und das daran angrenzende charmante ehemalige Arbeiterviertel Bakklandet, in dem noch viele der ursprünglichen bunten Holzhäuser erhalten sind.

Seit Trondheim sind wir wieder an der Küste und auf dem Eurovelo 1 unterwegs. Bereits kurz vorher trafen wir täglich auf immer mehr Radreisende von Oslo kommend auf dem Weg nach Norden und auch in umgekehrter Richtung. Auf dem Campingplatz in Kolvereid kam es vorgestern Abend – mutmaßlich begünstigt durch den anhaltenden starken Regen, der bei Vielen den Wunsch nach einer wetterfesten Infrastruktur aufkommen lies – geradezu zu einem internationalen Radreiser-Treffen mit Frankreich und Schweiz in führenden Positionen gefolgt von Deutschland und komischerweise ohne niederländische Beteiligung (verkehrte Welt 😉). Insgesamt waren wir wohl so 18 RadlerInnen zwischen 25 und 65, eine bunte Mischung von „nur bis zu den Lofoten“ bis zu „wir sind seit 1,5 Jahren unterwegs und kommen gerade aus China“.

Was uns immer wieder überrascht, ist dass wir (nicht nur hier auf dem Campingplatz sondern generell auf der Straße) mehr Alleinreisende als Paare treffen (unabhängig vom Grad oder der Art der „Verpartnerung“). Wir schätzen etwa 2/3 zu 1/3. Wie zuletzt schon festgestellt, können wir den Reiz des allein Reisens durchaus nachvollziehen, möchten die Gesellschaft des anderen aber nicht missen, in guten wie in schlechten Zeiten ☺️.

Was uns persönlich nicht überrascht, wir aber trotzdem bemerkenswert finden, dass Radreisen, auch allein und egal ob mit 25 oder 65, längst keine Männerdomaine mehr ist (wir schätzen 🚴🏽‍♂️ 60:40 🚴‍♀️).
Schon oft mussten wir ja schmunzeln, wenn Thomas – meist von Männern im Rentenalter und öfters von solchen, die alleine radeln müssen, weil ihre Frauen angeblich keine Lust haben (oder – Achtung Vorurteil: er es ihr nicht zutraut oder sie nicht fragt, unter welchen Bedingungen sie den Lust hätte…) zu seiner Frau beglückwünscht wurde, die bereit ist, mit ihm auf eine solche Reise zu gehen. Tatsächlich wurden wir aber erst einmal überhaupt gefragt (von einem Paar Anfang 40), wessen Idee diese Reise eigentlich war und bislang hat auch noch niemand (weder Frau noch Mann) Meike zu ihrem abenteuerlustigen Gatten gratuliert. Auch wenn in unserem Fall der Mann tatsächlich das ausgeprägtere Abenteuer-Gen besitzt, finden wir es spannend wie sich mal wieder Vorurteile gegenüber der Realität zu behaupten wissen. Wir haben jedenfalls noch keine Frau getroffen, die zu ihrem Radreiseglück gezwungen wurde oder unfreiwillig in die Pedale tritt… Allein Reisen ist also eine Option, aber kein Muss 😉.

Heute ist der Campingplatz wie ausgestorben, unser Zelt steht einsam auf der nassen Wiese (säuft aber noch nicht ab!). Die anderen sind gestern weitergefahren, mittags stieß dann eine allein reisende Französin zu uns, die vom Wetter auch die Schnauze voll hat und sich für einen Pausetag eine Hytta gemietet hat. Sie erzählte Thomas von früheren Radreisen mit ihrem Mann und auf die Frage hin, warum sie jetzt allein unterwegs sei, antwortet sie: I don’t know. Maybe because I am crazy. Abends kamen nochmal zwei Radfahrer an, die sich ebenfalls vor dem Regen in einer Hütte verkrochen haben. So sitzen wir allein und ganz in Ruhe in der Campingküche, gucken aus dem Fenster auf den strömenden Regen draußen, trinken Tee und lesen in den Nachrichten über die Hitzewelle in Europa… 😆.

Morgen werden wir uns dann – Regen und Wettervorhersage hin oder her 🥲 – wieder auf die Räder schwingen und sehen, was die norwegische Küste uns so zu bieten hat. Es warten jetzt wieder viele Fährfahrten auf uns und wir hoffen, dass diese a) mit möglichst wenig kalter Wartezeit verbunden sind und b) auch irgendwann mal den Aussichtsgenuss bieten, den sie versprechen und wir die grandiose Küstenlandschaft nicht immer nur durch Wolken und Nebelschwaden erahnen müssen. Wir vertrauen einfach darauf, dass der nette Norweger recht behält und der Sommer ganz bald auch hier ankommt oder es zumindest wieder so wird wie in den letzten Wochen: auf Regen folgt Sonnenschein und in welchem Tempo sich hier an der Küste das Wetter manchmal ändert, ist echt erstaunlich.

2 Kommentare

  1. Liebe Meike, lieber Thomas, schööön von Euren Abenteuern zu lesen 🙂

    Mit den Temperaturen habt Ihr doch Glück gehabt 😉 – wir mussten am gestrigen 2. Juli bei knapp über 38 Grad (!) gegen das Dahinschmelzen ankämpfen… Mitten in D. !

    Zum Thema Regen fällt mir noch das Zitat eines Freundes von einer gemeinsamen Tour mit wochenlangem Regen ein: „Das meiste, ne, das Meiste geht an Dir vorbei!“ 😉

    Liebe Grüße in den Norden
    Carsten

    1. reisegefaehrten

      Also ja, 38 Grad sind dann doch deutlich zu viel. Wir würden euch ja so 8-10 abnehmen 😉. Thomas sagt immer: ist ja nur Wasser. Trotzdem war es schön heute nur einige Tropfen abzubekommen und zwischendurch endlich mal wieder die ☀️ im Gesicht zu spüren. Das hebt dann doch die Laune, man sieht mehr von der grandiosen Landschaft und kann sie einfach mehr genießen: stehen bleiben und einfach nur wirken lassen. Dir weiterhin eine gute Saison! Wir hören voneinander!

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